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  Fantasy Filmfest Nights 2008

Von Kannibalen, Psychopathen, Alt-Nazis und Zeitreisenden.

Die Fantasy Filmfest Nights touren wieder durch die Republik und haben am vergangenen Wochenende auch in Stuttgart Halt gemacht. Neben Intelligentem und Skurrilem gab's vor allem Futter für die Gorehounds und kübelweise Kunstblut aus dem Nachbarland Frankreich. Doch wenig Neues ist an der Horror-, Thriller und Fantasyfront zu vermelden und erfrischend neue Geschichten und Filme, die einen vom Hocker reißen (oder vor Schreck in den Kinosessel sinken lassen) müssen Brutalogewalt und Splatterszenen weichen.

Ein Rückblick.

Dabei fing das Wochenende doch prima an mit dem intelligenten und den Zuschauer zum Mitdenken anregenden Zeitreisethriller TIMECRIMES aus Spanien, ein gerade mal mit einer Handvoll Darstellern besetzter Sci-fi-Streifen, der dem bekannten Thema der Reise in die Vergangenheit wieder etwas neues, interessantes abgewinnen konnte. Ein Mann mittleren Alters gerät dabei in einen schier aussichtlosen Strudel, der ihm das gewohnte Leben aus den Händen reißt. Verzweifelt bemüht er sich einen Fehler wieder auszubügeln, macht die Situation dadurch aber noch weitaus komplizierter und auswegloser. Der 30jährige Regisseur Nacho Vigalondo, bisher erfolgreich im Kurzfilmbereich tätig, legt mit ‚Los Cronocrimines' (so der Originaltitel) ein fulminantes, humorvolles Langfilmdebut vor, dass mit Legend Films erfreulicherweise auch schon einen deutschen Verleih gefunden hat und ein DVD-Release wohl nicht lange auf sich warten lassen wird.

Ebenfalls ohne Splatterorgien kommt der französische Beitrag EDEN LOG aus. Clovis Cornillac, zuletzt als Asterix im Kino zu sehen, spielt in diesem kammerspielartigen Thriller einen Mann, der sich eingesperrt auf engem Raum einen Weg in die Freiheit erkämpfen und dabei gegen allerhand Widrigkeiten und unangenehme Kreaturen bestehen muss. Die düstere nahezu monochrome Optik mit kalten Farben und Industriestahlkonstrukten, die Regiedebutant Franck Vestiel für seine Endzeitutopie wählt, erinnert stark an die Klaustrophobie heraufbeschwörenden Innereien eines Raumschiffs à la ‚Alien' und Konsorten. Der Zuschauer tappt dabei im wahrsten Sinne des Wortes vorwiegend im Dunkeln. Das mag gut gemeint und als spannungsfördernd gedacht sein, verfehlt aber seinen Zweck und der Fortgang der Geschichte schleppt sich träge dahin, weil man nur das sieht, was der Protagonist sieht. Da wollte Vestiel wohl besonders clever sein, vergisst aber dem Zuschauer mehr Abwechslung und vor allem mehr Anhaltspunkte für eigene Storyideen zu bieten. Das Rätselraten und die nervöse Kameraführung werden hier zur ermüdenden Tortur. Schade drum.

An Abwechslung mangelt es in Takashi Miikes' SUKIYAKI WESTERN DJANGO wahrlich nicht, doch vergaloppiert sich das Enfant terrible des japanischen Kinos ein ums andere Male bei seinem auf englisch (!) gedrehten Western-Comedy-Mix weil das Timing der absurden Gags nicht immer funktioniert. Mit zwei Stunden ist das Werk auch viel zu lange geraten, wirkt träge und man merkt doch sehr, dass der Film einige dramaturgische Durchhänger hat. Dass Miike Shootouts innovativ abfilmt und mit kessen Einfällen würzt überrascht diejenigen nicht, die seine Gangsterstreifen kennen. Aber hier heben diese Szenen den Film nicht über einen durchschnittlichen Gesamteindruck hinaus. Auch Quentin Tarantinos Gastauftritt ist nur milde unterhaltend. Was Miike an Gewaltszenen im Spaßkontext bringt ist allerdings nichts im Vergleich zu manch anderen Szenen der acht Filme, die Samstags und Sonntags im Metropol-Kino gespielt wurden.

Nach der Sichtung von Georg A. Romeros neuestem Werk musste man eine herbe Enttäuschung verkraften, denn außer den professionell gemachten Splattereffekten (von Greg Nicotero) und ein, zwei gelungenen Gags ("Hello, my name is Samuel") gibt es kaum erinnerungswürdige Momente. Romero, gemeinhin als Urvater der Zombiefilme tituliert, und mit seinen ersten drei Beiträgen (Night of the Living Dead, Dawn of the Dead, Day of the Dead) auch zu Recht als Kult-Horror-Regisseur gefeiert, schaffte es mit ‚Land of the Dead' vor drei Jahren schon nicht mehr gute Ideen zu produzieren und der Niedergang setzt sich mit dem deutlich preisgünstiger produzierten ‚DIARY OF THE DEAD' unweigerlich fort. Diesmal setzt sich der 68-jährige Regisseur mit den modernen Medien auseinander und zeigt wie sie manipulativ wirken um Katastrophen zu verharmlosen. Shocking News! Die Zombies sind traditionell langsam wie eh und je, die zweitklassige Schauspielergarde muss aber trotzdem wieder jede Menge Federn lassen und das Point-of-View-Szenario - ja die Mode der subjektiven Kameraeinstellung von Filmanfang bis Ende scheint gerade das Filmbusiness infiziert zu haben - wirkt auf die Dauer nervig. Romero hat nichts neues mehr zum Thema Zombies beizutragen und so versinkt ‚Diary of the Dead' im untersten Mittelmass und man droht eher vor Langeweile als an einem Zombiebiss zu sterben.

Ganz anders unterhält hingegen der spanische Thriller [REC] von Jaume Balagueró und Paco Plaza - beides keine Neulinge im Horrorgenre. Balaguerós Filme (z.B. Fragile: A Ghost Story) findet man ebenso in der gut sortierten Videothek wie auch den einen oder anderen Film von Plaza (Romasanta - Im Schatten des Werwolfs). In ihrem Beitrag zum Thema: "Infizierter Mensch und die Folgen" geht es um eine ehrgeizige aber trotzdem sympathische TV-Reporterin und ihren Kameramann, die eine Nacht auf der Feuerwehrwache zubringen und einen Einsatz begleiten wollen. Doch in dem Wohnhaus, wo sie drehen, bricht besagte Infektion aus und ehe man sich versieht steht man unter Quarantäne. Nach schleppendem Beginn zieht .REC durch die aufkommende Stimmung von Ausweglosigkeit und der unangenehmen Tatsache, dass sich immer schneller Mitmenschen in gewalttätige Bestien verwandeln, den Zuschauer aber doch noch in seinen Bann. Der wiederum durchweg mit wackeliger Handkamera gedrehte Streifen überzeugt also nur bedingt hat aber mindestens zwei Szenen, die einen zusammenzucken lassen und ein furioses Finale, dass insbesondere im Kino mit guter Soundanlage seine ganzen Qualitäten ausspielt.

Neben Romero war aber vor allem "Neil Marshall" der Name, den Genrefans mit "freudiger Erwartung" verbanden. DOOMSDAY heißt das neueste Spektakel von dem Mann, der uns schon mit DOG SOLDIERS und THE DESCENT das Fürchten lehrte. Trotz Vorfreude war aber auch Skepsis angebracht, zum einen weil nicht immer aller guten Dinge drei ist, zum anderen weil Marshall diesmal so viel Geld verpulvern konnte, dass er fünf mal seinen Höhlenschocker hätte drehen können. Zuviel Geld kann auch lähmend wirken. Leider bewahrheiten sich auch die Befürchtungen, denn trotz der heftig aber relativ kurz gehaltenen Gewalt- und Splatterszenen wirkt dieser futuristische Mix aus diversen Genrefilmen ungewohnt glattpoliert und man vermisst die Rohheit der früheren Werke. Independentfilmer Marshall scheint mit dieser US/UK-Co-Produktion in Hollywood angekommen zu sein und selbst wenn er sich jetzt auf der Leinwand noch austoben, politisch unkorrekt agieren darf (Kannibalismus en detail !) und die Optik ihren positiven Beitrag leistet ist die Story um einen todbringen Virus wenig innovativ und mehr Ideenklau und Patchwork aus ‚Die Klapperschlange', Mad-Max' und Co. Betrachtet man den Film als Hommage ans Genrekino wird man schon seinen Spaß finden, aber die Gänsehaut packen wird diesmal erst gar nicht aus. Selbst überzeugen kann sich das deutsche Kinopublikum dann am 28. August, wenn Concorde Filmverleih das Werk (wohl mit einer 18er Freigabe) auf die Leinwand bringt.

Die deftigen Schlachtplatten hatten sich die Veranstalter jeweils für die Spätvorstellung am Samstag und Sonntag aufgespart. Und wem Blutverlust, Gewalt und Sadismus in ‚Saw 4' , Hostel 2' und diversen anderen Genreprodukten der letzten Monate nicht ‚abgefuckt' genug war, der war mit den französischen Schockern ‚Frontier(s)' und ‚Inside' mehr als gut bedient. Doch anstatt die Spannung aus einer cleveren Geschichte zu ziehen werden hier wieder mal oft verfilmte Handlungsstränge und Klischees benutzt und mit over-the-top Splattereinlagen visuell maskiert. Die Einfälle bei der Ausgestaltung von fiesen Todesszenarien scheinen aber unerschöpflich zu sein. Xavier Gens wurde durch die Computerspielverfilmung ‚Hit Man - Jeder stirbt alleine' bekannt, doch mit seinem hier gezeigten Erstling ‚FRONTIER(S)' wird er auch noch berüchtigt. Angelehnt an den Horrorklassiker ‚Texas Chain Saw Massacre' von Tobe Hooper verirren sich in dieser Version aus dem Jahre 2006 vier unsympathische Kleinkriminelle in die französische Einöde nahe der belgischen Grenze und geraten in die Fänge von Alt-Nazi von Geisler und seiner sadistischen Familie - Kannibalismus ist da nur eine der Sauereien, die sie ausleben. Was folgt ist die 08/15-Abfolge an nicht unspannend inszenierten fang-ich-dich-foltere-und-kill-ich-dich Szenarien, die aber durch unnötige und zu ausführliche Nazi-Anspielungen mehrmals unterbrochen wird.

Fast ebenso viel Blut - und die Betonung liegt auf ‚viel' - fließt im Psychohorror-Kammerspiel ‚INSIDE' mit der bekannten französischen Darstellerin Béatrice Dalle, zuletzt mit dem düsteren, sehenswerten ‚Crime Insiders' beim Fantasy Filmfest vertreten (auch als dt. DVD zu haben). Als Psychopathin ohne jegliches Mitleidsempfinden dringt sie in die Wohnung einer hochschwangeren jungen Frau ein um ihr das Kind buchstäblich aus dem Leib zu schneiden. Die Regieneulinge Alexandre Bustillo und Julien Maury kennen keine Skrupel, ziehen alle Register und servieren dem Betrachter unbarmherzige Grausamkeiten am Fliessband und in Nahaufnahme. Als eiskalte Mörderin überzeugt Dalle so sehr, dass man sich nicht wünscht ihren Weg zu kreuzen, denn ist der Film auch mit 83 Minuten ungewöhnlich kurz, so stapeln sich die Leichen im Hausflur aber meterhoch.

Acht Filme, so viel wie noch nie, zeigte man dieses Jahr bei den 6. Fantasy Filmfest Nights. Doch Masse heißt nicht gleich Klasse und so bleibt nur die Erkenntnis, dass viel recycelt wurde, die Gewalt- und Splatterszenen weiterhin deftig serviert werden und man gelungene Genre-Mixe nicht so einfach aus dem Ärmel schüttelt. Besonders enttäuschend war Georg Romeros ‚Diary of the Dead', ‚Eden Log' überzeugt optisch, schwächelt aber arg im dramaturgischen Bereich, ‚Doomsday' und ‚Sukiyaki Western Django' kommen ebenso wenig über den Durschnitts-Gesamteindruck hinaus wie .REC und die Brutalo-Splatter-Streifen ‚Frontier(s)' und ‚Inside' sind handwerklich gut gemacht, enttäuschen aber mit recycelten Horrorstories und sind nur für den abgebrühten Genrefan als Midnightmovies in Betracht zu ziehen. Bleibt die Entdeckung des Mini-Festival-Programms: Timecrimes. Zwar blutleer aber spannend, humorvoll, abwechslungs- und wendungsreich inszeniert. Ein bemerkenswerter Sci-Fi-Film vom hoffnungsvollen Talent Nacho Vigalondo. Ein Name, den man sich merken sollte.

Bildnachweise: Diary of the Dead © Legend Films International // Doomsday © Concorde Filmverleih // Eden Log © Tiberius Film // Frontier(s) © Tiberius Film // Inside © Senator Film // [Rec] © 3L Filmverleih // Sukiyaki Western Django © Universum Film // Timecrimes © Legend Films International

Markus Klingbeil. 14.04.08.
 
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