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2010
Bilder © Universal

Der Soundtrack
(Songlist)
**** Kick-Ass
matthew vaughn


Der 16-jährige Teenager Dave Lizewski (Aaron Johnson) schwelgt mit seinen Kumpels in der Welt der Comichelden während er die deprimierende Schulzeit ohne Freundin über sich ergehen lässt. Doch was ihn beschäftigt ist die Frage warum keiner auf die Idee kommt sich in der Realität als Superheld für die Schwachen dieser Welt einzusetzen. Also fasst er eines Tages seinen ganzen Mut zusammen und zieht kostümiert mit zwei Schlagstöcken durch die Stadt ohne zu erahnen in welche Gewaltspirale er sich damit manövriert.

Es scheint so als würde sich in den letzten Monaten alles um die Fortsetzung von "Iron Man" drehen, wenn man von den diesjährigen potentiellen Blockbustern oder Comicverfilmungen spricht. Ein weit weniger mainstreamtauglicher Superheld musste da bisher etwas zurückstecken, weil dieser im unabhängig finanzierten Film auftretende Geselle und seine Mitstreiter genau das tun, was der Titel verspricht: "Kick-Ass". Hier geht es nicht um einen Jüngling mit übernatürlichen Kräften oder besonderen Fähigkeiten sondern um einen einfachen Teenager, der den Begriff Zivilcourage sehr gewagt auslegt. Und seine Dienste unter dem Nickname "Kick-Ass" by myspace anbietet.

Wir sprechen hier von Dave Lizewski (Aaron Johnson, Frontalknutschen), der uns gleich zu Beginn einen Einblick in sein junges mutterloses Leben gibt. Das beinhaltet Masturbationsfantasien, einen Freundeskreis aus Comicbuchfans und die Unerreichbarkeit seiner Angebeteten, die ihn erst gar nicht als potenten Lover in Betracht zieht. Klingt jetzt bisher wie eines dieser pubertären Coming-of-Age-Komödien, die mit ihrer lockeren Jugendsprache mittlerweile wohl keinem mehr die Schamesröte ins Gesicht treiben werden (abwarten bis Hit-Girl spricht!). Doch die gleichnamige Comicvorlage von Mark Millar und John Romita jr. hat ihre düsteren, gewalttätigen Aspekte und der britische Regisseur Matthew Vaughn (Der Sternwanderer) versteckt diese nicht und serviert das Vigilante-Thema in mutiger Ausführung.

Bei allem Comic-Geek-Talk und hormongesteuerten Reaktionen wird nämlich schnell klar, dass die Figuren in Millars Comicwelt auch im Film ein krudes Verständnis von Recht und Ordnung haben und mit ungesetzlichen Methoden zur Ausführung bringen. Für Pädagogen muss es ein besonders böser Albtraum sein, wenn in er frühen Szene ein Vater seine 11-jährige Tochter mit scharfer Munition beschießt um die schusssichere Weste zu testen. Für die Tochter ist solch eine Schulung, die den Umgang mit unzähligen Tötungswaffen beinhaltet, eine normale Sache. Willkommen bei der zweiköpfigen Familie Macready, die - schon weit vor dem Einfall unseres Titelhelden - gemeinsam als maskierte Rächer Gangster aus dem Verkehr ziehen.

Man wundert sich also nicht, dass keines der großen Hollywoodstudios das Drehbuch von Matthew Vaughn und Jane Goldman, Gattin des TV- und Radiotalkers Jonathan Ross, ohne drastische Änderungen nicht verfilmen wollte. Stattdessen besorgte sich Vaughn das nötige Geld auf anderen Wegen (unter den 10 Produzenten steckt auch Hollywoodstar Brad Pitt) und musste dann auch keine künstlerischen Einschnitte bei der Realisierung seines Projektes machen. Und das hat sich ausgezahlt, denn "Kick-Ass" ist eine frische Brise im Allerlei der Comicbuchverfilmungen und lässt die enttäuschenden und (teureren) Produktionen wie "Watchmen" und "The Spirit" ziemlich alt aussehen. Der in London geborene Matthew Vaughn, Ehemann von Model Claudia Schiffer, ist schon seit 1996 als Produzent im Filmgeschäft und verhalf Guy Ritchie zu seinem gefeierten Regiedebüt ("Bube, Dame, König, Gras").

Als Regisseur trat Vaughn erstmalig 2004 mit seinem smarten Gangsterfilm "Layer Cake" (mit Daniel Craig) in Erscheinung und zeigte dabei wie unterhaltsam er eine mit eigenwilligem Humor gespickte Geschichte in edler Optik präsentieren kann. Einen besonders ansprechenden visuellen Stil kreierte er auch bei "Kick-Ass" mit seinem kurzfristig verpflichten Production-Designer Russel De Rozario, (er stieß erst fünf Tage vor Drehbeginn zum Team dazu, weil sein Vorgänger ausstieg). Statt düster wie Nolan's Batman herrscht hier ein kontrastreiches, ja gar buntes Bild vor. Seinen Protagonisten ernst nehmen ist aber trotzdem geboten und gerade wenn sich der selbsternannte, kostümierte Gerechtigkeitshelfer bei seinen ersten Auftritten unzählige Knochenbrüche und blutige Nasen holt dann ist die zur Schau gestellte Gewalt der Strasse eine unschöne Erinnerung an das was tagtäglich irgendwo passieren kann.

Wie Tarantino oder die Wachowski-Brüder folgt aber auch Matthew Vaughn der Devise, dass Gewalt im Film einem gewissen Grad an Coolness unterworfen werden muss und so verliert "Kick-Ass" im Verlauf des Films seine Nähe zum realistischen Ausgangspunkt. Vaughn zollt dabei mit verschiedenen interessanten stilistischen Mitteln seiner Comicvorlage Tribut und man wähnt sich bald in einer Parallelwelt zum Matrix-Universum, wenn mit einer Unzahl an Waffen und Munition hantiert und mit lässigem Schritte ein vor Gangstern nur so wimmelndes Gebäude gestürmt wird. Wer Action fordert, der bekommt eine gehörige Dosis und mindestens zwei Szenen, die als finaler Höhepunkt durchgehen könnten. Doch solange die Mission nicht erfüllt ist wird keine Granate oder scharfe Klinge beiseite gelegt, insbesondere, wenn es sich um ein Geburtstagsgeschenk handelt.

Dass Gewalt ohne Bedauern von Teenagern zwischen 11 und 16 Jahren ausgeht und die dabei auch noch markige Sprüche abgeben wird den gänzlich unvorbereiteten Betrachter verwundern oder gar schockieren. Und in der Tat ist man ob der Kaltschnäuzigkeit von Hit-Girls Tötungen leicht irritiert. Vaughn besetzt für diese Rolle keine ältere Darstellerin sondern übertrug der 12-jährigen Chloe Moretz (die kluge Schwester von Joseph-Gordon Levitt aus (500) Days of Summer) diese Aufgabe und die überzeugt auch als starker Teen mit ungewöhnlichen Hobbys. In der Rolle des Vaters und Waffentüftlers "Big Daddy" sieht man endlich mal wieder einen Nicolas Cage, der nach vielen schwachen Vorstellungen der letzen Jahre ("Bad Lieutenant - Cop ohne Gewissen, Knowing, etc.) als durchgeknallter Ex-Cop mit Rachewahn gefällt.

Auf der Gegenseite von Kick-Ass, Hit-Girl und Big Daddy stehen Chris D'Amico, der Öffentlichkeit unter seinem Alias Red Mist bekannt und sein Vater Frank, ein Gangsterboss mit einer Vielzahl an bewaffneten Angestellten. Als Möchtegern-Superheld #4 tritt der 20-jährige Amerikaner Christopher Mintz-Plasse (Superbad) auf, der dank seines Aussehens aber noch als Teenager durchgeht. Im Vergleich mit den anderen Rollen ist dieser Auftritt allerdings der am wenigsten interessante auch wenn es zur einen oder anderen komischen Situation beim Anfreunden der selbsternannten Helden der Strasse kommt. Eine Figur , die besonders in Erinnerung bleibt ist der von Mark Strong verkörperte Gangsterboss Frank D'Amico.

Strong, zuletzt in "Sherlock Holmes" zu sehen und bald als Sir Godfrey in "Robin Hood" beherrscht seine Szenen nach belieben. Ungemein spaßig ist es zu beobachten, wie sich dieser Bursche einfach nicht in den Kopf eines Teenagers hineinversetzen kann und mit knallharter Ignoranz und Überheblichkeit jegliche Comicheldenrächer als Spinner abtut und meint die könne man ruckzuck von der Bildfläche verschwinden lassen. Dass ausgerechnet sein Sohn, den er sonst auf Distanz hält, mit diesem Wissen über die Teeniekultur bei Daddy punktet und ihm entscheidend weiterhelfen kann ist dann wiederum nur einer der vielen humorigen Momente, die im Film vorherrschen.

Matthew Vaughn traut sich was mit dieser politisch unkorrekten Verfilmung einer Comicreihe des Schotten Mark Millar. Aus einer Teenie-Pubertäts-Komödie wird schnell ein blutiger, äußerst gewalttätiger Film um Zivilcourage, Rache und Selbstjustiz, der auch dank eines knackigen Soundtracks, guter Darstellerriege und erinnerungswürdigen One-Linern das Zeug zum Kultfilm hat. Sicher die überraschendste und unterhaltsamste Comicverfilmung seit langem.



Text © Markus Klingbeil
VÖ: 13.04.2010

Kick-Ass

(Kick-Ass)

UK/USA 2010. Farbe. Originalsprache: Englisch. Länge: 117 Min. Bildverhältnis: 2.35:1 Kinostart: 16.04.2010 (USA) 22.04.2010 (D). Budget: 28 Mio. USD Einspiel: n/a Mio. USD (USA) Regie: Matthew Vaughn. Screenplay: Matthew Vaughn, Jane Goldman Vorlage: Mark Millar (comic book series). Kamera: Ben Davis. Schnitt: Eddie Hamilton, Jon Harris. Musik: Ilan Eshkeri, Henry Jackman, John Murphy. Darsteller: Aaron Johnson, Christopher Mintz-Plasse, Mark Strong, Chloe Moretz, Nicolas Cage, Jason Flemyng, Tamer Hassan, Yancy Butler, Craig Ferguson, Clark Duke, Evan Peters.
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