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2008
Bilder © Euforia Film
**** Dead Snow
tommy wirkola


Eine Gruppe von acht Medizinstudenten fährt übers Wochenende zu einer entlegenen Skihütte in den nördlichen Bergen Norwegens. Die Gastgeberin sollte sie bereits erwarten, doch niemand ist da. Stattdessen taucht kurze Zeit später ein Ortsansässiger auf, der eine Schauergeschichte vom Zweiten Weltkrieg zum besten gibt und darüber informiert, dass hier in der Gegend in den letzten sechs Jahrzehnten schon einige Personen verschwunden sind. Das bremst die Urlaubsfreude zunächst nicht bis dann die eigene Gruppe an Personenanzahl verliert.

Krimis und Thriller aus den skandinavischen Ländern haben sich mittlerweile im weltweiten Unterhaltungsprogramm in Buch und TV-Serienform etabliert. Vor allem die Schweden und Dänen sind auch im filmischen Bereich äußerst aktiv. Schwarzhumorig und skurril geht's da meist zu. Norwegen lässt ab und zu überregional von sich hören, z.B. vor zwei Jahren mit dem Slasher "Cold Prey" (die Fortsetzung wurde 2008 veröffentlicht) oder auch die verschrobenen Geschichten von "Elling" und "O'Horton". Mit "Dead Snow" kommt aber was ganz anderes aus dem hohen Norden: ein Genrefilm, der mit Witz, Schwung und Spielfreude als bittersüße Hommage an den Zombie- und Splatterfilm von George Romero, Peter Jackson, Sam Raimi & Co. einzuordnen ist. Der 29-jährige Tommy Wirkola hatte bereits in seiner ersten Regiearbeit Tarantinos "Kill Bill" parodiert und er zeigt mit seinem neusten Werk, dass er die Liebe zum Genrefilm mit dem amerikanischen Kultregisseur teilt.

Doch Wirkola schwelgt nicht nur in Genrezitaten sondern erfindet das ultimative Böse ganz neu. Die blutrünstigen Untoten hätten für sich schon Schockpotential genug, doch wie kürzlich in mehreren US-Filmen wieder zu beobachten war hat das Böse im Nazikostüm geradezu Hochkonjunktur. In Comicadaptionen wie "Hellboy" oder "The Spirit" und bei "X-Men" sowieso aber auch in ernsten Dramen zum Thema Holocaust wie "Der Vorleser" und "Der Junge im gestreiften Pyjama" ist der aus den 30er- und 40er Jahren entsprungene böse Deutsche integraler Bestandteil und dramaturgischer Antrieb. Doch Filme über Stauffenberg und John Rabe zeigen auch andere Seiten von Nazi-Deutschland und seinen Bürgern. Was uns Tarantino bei seinem neuesten Werk "Inglorious Basterds" und seiner Betrachtungsweise von nationalsozialistischen Umtrieben bevorsteht darf mit Spannung und Skepsis erwartet werden. "Dead Snow" nutzt aber das Bild des Nazi-Zombis, Relikt der Besatzerzeit von 1945, der seine Opfer durch den Schnee jagt, vor allem um es, salopp formuliert, so richtig krachen zu lassen.

Wer hier wie die Protagonisten im Film den einen oder anderen Horror- und Splatterfilm der alten Schule gesehen hat, der ist bei dieser Achterbahnfahrt deutlich im Vorteil. "Fido" war der domestizierte Zombie, mit "Shaun of the Dead" kreierten Edgar Wright und Simon Pegg die ultimative Zombiekomödie. Bei beiden Filmen steht im Gegensatz zum Dawn-of-the-Dead-Remake von Zack Snyder oder Danny Boyles Virenhorror "28 Days Later" der Spaß im Vordergrund, das genüssliche Zelebrieren und Variieren von Klischeeszenen des Horrorfilms. Garniert mit einer gehörigen Dosis schwarzen, bitterbösen Humors wohlgemerkt. Tommy Wirkola wird diese Filme auch studiert haben und bedient sich bei seiner Version des Schreckens gängiger Muster. Die abgelegene Hütte, der warnende Ortsansässige, Sexlust und der auf dem Fuß folgende strafende Tod. Bei einer überdrehten Horrorsatire würde man diese Schlüsselelemente doch schmerzlich vermissen.

Unvermeidbar bei dieser Zombies-killen-im-Schnee-junge-hormongesteuerte-Menschen-Konstellation sind natürlich die Gore-Effekte. Und daran sparen die Macher von "Dead Snow" wahrlich nicht, so stehen knapp 150 Komparsen in Maske und Uniform als grunzende, rennende Soldaten bereit für das vom aufgetauten SS-Oberst Herzog geleitete Schlachtfest. Die Kettensäge muss Schwerstarbeit leisten um Vorbildern aus "Braindead" und "Evil Dead" gerecht zu werden, und auch das Schneemobil ist als eine der tödlichen Waffen unverzichtbar. Diesen harten Überlebenskampf konterkariert Wirkola dabei mit schrägen Ideen bei der Musikauswahl. Zu Beginn des Films sehen wir die Flucht einer Frau vor ihren unbekannten Verfolgern untermalt von den Klängen des Klassikwerkes "In der Halle des Bergkönigs" von Edvard Grieg (ein Norweger!). Später lässt er dann noch diverse akustische Überraschungen auf das Publik einprasseln (z.B. einheimische Pop und Rock-Musik), die glatt ihren Platz auf einer Skihüttencharts-CD finden würden.

Auch inhaltlich wird man das ein ums andere Mal kalt erwischt, u.a., wenn die sprichwörtliche Blödheit einiger Protagonisten auf die Spitze getrieben wird und es darum geht ein Molotow-Cocktail zur Verteidigung zu fertigen und einzusetzen. "Dead Snow" macht keine Gefangene und schont wirklich keinen seiner Medizinstudenten, die immerhin ihr bis dato angesammeltes Fachwissen tatkräftig anwenden um Infektionen und Blutverlust unter Kontrolle zu bekommen. Sorgen also Komik- und (trotz kleinem Budget äußerst überzeugend gemachte) Horroreffekte für gehörig Abwechslung so ist es doch etwas schade, dass man sich nicht für ein Cinemascope-Filmformat (wie die Macher von "Cold Prey") entschieden hat, denn damit hätte man einem großartigen Landschaftshintergrund mehr Raum gegeben und die Ausweglosigkeit der Situation noch stärker betonen könnnen.

Der Film wurde im Januar 2009 erstmalig beim Sundance Filmfestival vorgestellt und ausverkaufte Mitternachtsvorstellungen zeigten schon, dass die PR-Gurus im Vorfeld beste Arbeit geleistet hatten. Selbst für Sicko-Gags war man sich nicht zu schade hat man doch wohl tatsächlich zwei Statisten in Soldatenuniform vor bzw. im Kino postiert. Für Regisseur Tommy Wirkola hat sich der Trip in die USA auf jeden Fall ausgezahlt. Nicht nur, dass er gleich von der renommierten Agentur ICM unter Vertrag genommen wurde (zuletzt fanden dort auch neue Talente wie Pascal Laugier ("Martyrs") und Matteo Garrone ("Gomorrha") ein zuhause), auch seine "feelgood-Nazi-zombie-splatter-comedy" (Zitat: Norwegisches Filminstitut) wurde bisher in knapp 50 Länder verkauft. In Deutschland wird Splendid den Film wohl dieses Jahr auf DVD rausbringen. Ob ungeschnitten bleibt fraglich. Nachdem 140.000 Kinotickets seit dem Januarstart in Norwegen verkauft wurden folgt die DVD-Auswertung im hohen Norden ab 1.April. Und auf DVD haben solche Genrefilme ein langes Leben.

Dead Snow ist ein überdrehter, sinnfreier Splatterspaß in der Tradition von "Braindead" bis "Shaun of the Dead" mit blutigen Effekten und goldgierigen Nazizombies, die im Schneegestöber eine Gruppe Medizinstudenten aufschrecken. Für Genrefans geeignet, die einen Sinn für derben, schwarzen Humor haben.

Text © Markus Klingbeil
VÖ: 26.03.09

Dead Snow

(Død snø)

Norwegen 2008. Farbe. Originalsprache:Norwegisch. Länge: 90 Min. Bildverhältnis: 1:.85 Kinostart: 09.01.2009 (Norwegen). Budget: n/a Mio. USD Einspiel: n/a Mio. USD (USA) Regie: Tommy Wirkola. Buch, Screenplay: Stig Frode Henriksen, Tommy Wirkola . Kamera: Matt Weston. Schnitt: Martin Stoltz. Musik: Christin Wibe. Darsteller: Charlotte Frogner, Stig Frode Henriksen, Vegar Hoel, Jeppe Beck Laursen, Evy Kasseth Røsten, Jenny Skavlan, Bjørn Sundquist, Ane Dahl Torp, Lasse Valdal, Ørjan Gamst.
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