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2016

Bilder © T-Series
**** Sarbjit
omung kumar


Ein indischer Farmer, der betrunken auf der pakistanischen Seite des Grenzsteins aufwacht, wird verhaftet und als Terrorist zur Todesstrafe verurteilt. Seine Schwester macht es sich zur Lebensaufgabe diesen Irrtum aufzuklären und den Bruder nach Hause zu holen.

Die Teilung des indischen Subkontinents in Pakistan und Indien nach Abzug der britischen Kolonialherren 1947 führte zu viel Leid und Unrecht unter den Bevölkerungsteilen beider Staaten. Politisch-religiös aufgeheizte Konflikte führen bis heute zu Spannungen zwischen den Regierungen auch wenn - je nachdem welche Partei an der Macht ist - immer wieder mal versucht wird aufeinander zuzugehen. Für Filmemacher genügend Stoff für dramatische Projekte insbesondere wenn man sich auf die Lebensgeschichte realer Personen beziehen kann. Omung Kumar hatte bisher seine künstlerischen Fähigkeiten Regisseuren wie Sanjay Leela Bhansali und Subash Ghai zur Verfügung gestellt bevor er 2014 einen eigenen Film realisierte. In „Mary Kom“ erzählt er die Geschichte einer indischen Boxerin, die mehrfach Amateurboxweltmeisterin wurde und es sogar zur Olympiade schaffte. Für seine zweite Regiearbeit sollte es eigentlich kein Biopic mehr werden doch die in indischen Medien gut dokumentierte Geschichte von Dalbir Kau, die er auch persönlich traf, überzeugte ihn vom Gegenteil. Die Rolle im Film übertrug er Aishwarya Rai Bachchan (Devdas, Shabd), die sich erst letztes Jahr mit dem Flop „Jazbaa“ nach fünfjähriger Familienpause wieder als Darstellerin zurückmeldete.

1990 ist das Jahr in dem sich die dramatischen Ereignisse entfalten und Sarabjit Singh (Randeep Hooda), Vater zweier Töchter und leidenschaftlicher Wrestler, die lebensverändernde Begegnung mit pakistanischen Grenzsoldaten hat. Das spurlose Verschwinden des Ehemanns, des Sohnes, des Vaters, des Bruders – all das ist Sarbjit für seine Familie - unerklärbar. Eingesperrt wie ein Hund im Käfig, ohne Bewegungsraum um sich auszustrecken, über Monate hinweg misshandelt, beim Verhör gefoltert um ihn zu einem Geständnis zu bringen. Irgendwann ist sein Widerstand gebrochen, er gibt zu der gesuchte Terrorist Ranjit Singh zu sein ohne zu wissen was ihm vorgeworfen wird. Zum Tode verurteilt wartet er in Einzelhaft auf die Vollstreckung des Urteils. Regisseur Kumar zeigt dies alles in erschütternden Bildern, verstärkt insbesondere durch den Kontrast mit dem vorherigen glücklichen, farbenfrohen Leben. Erst nach acht Monaten der Ungewissheit und Sorge und nur weil er einen Brief aus dem Gefängnis schmuggeln konnte erfahren die Angehörigen wo er steckt. Eine berechtigte Hoffnung auf einen Kontakt, auf Familienzusammenführung wird schnell zerschlagen, denn wie schwer es ist sich überhaupt bei den politischen Machthabern Gehör zu verschaffen ist eine von vielen bitteren Lektionen, die hier vorgeführt werden.

Für Bachchan kommt diese ernste Rolle in einem wichtigen Film wie gerufen um zu zeigen, dass sie immer noch fähig ist komplexere Figuren darzustellen (länger als 15 Minuten musste sie wohl nicht überlegen). In einigen Arthaus-Projekten hat sie das früher bereits gezeigt. Da die Handlung einen Zeitraum von knapp 30 Jahren umfasst muss sie natürlich verschiedene Lebensphasen mit Emotionen füllen. Das gelingt ihr recht gut, ohne überschäumende Theatralik. Der zermürbende Kampf um das Leben ihres Bruders, ihre unermüdlichen Gänge zu allen möglichen politischen Entscheidern, ihre Aktionen um die Öffentlichkeit für sich zu gewinnen, hinterlässt seine Spuren vor allem im Gesicht. Das Portrait dieser einfachen Frau vom Land ist der krasse Gegensatz von Aishwarya Rai Bachchans Glamour-Präsenz in den Medien oder Auftritte in Masala-Filmen. Deutlich weniger Szenen im Film bleiben für Randeep Hooda als Sarbjit. Doch die nutzt er gut. Der 39-jährige Hooda pflegt hier den Method-Actor-Ansatz (in 28 Tagen hat er 18 kg Gewicht verloren) und geht voll in seiner Rolle auf. Seine physische Verwandlung und seine nuancierte, intensive Performance beeindrucken.

Hooda gehört zu den unterschätzten Darstellern in Indien. Als er vor über 10 Jahren ins Filmgeschäft einstieg suchte er sich vornehmlich unbequeme Rollen in kleineren Filmen (Risk, 'D') aus, die aber kaum ein Publikum fanden. Mittlerweile ist er auch im Mainstream angekommen (z.B. spielt er im Blockbuster „Sultan“ den Wrestling-Coach von Salman Khan). Neben den beiden Geschwistern ist eine der wichtigen Charaktere im Film noch Sarbjits Frau Sukhpreet, hier gespielt von Richa Chadda (Ram & Leela). Es ist eine Rolle mit wenig Text also werden Emotionen dezent aber wirkungsvoll über Gestik und Mimik transportiert. Denn einerseits neben einer Powerfrau wie Dalbir zu bestehen, genauso engagiert zu sein und andererseits die beiden Töchter großziehen ist kein zu verachtender Kraftakt insbesondere bei diesem Gefühl der Machtlosigkeit, wenn sich trotz aller Anstrengung scheinbar nichts bewegt. Chadda bringt das glaubhaft zum Ausdruck.

DVD (T-Series, NTSC, codefrei, 132 min)

Die indische DVD im Digipack (2 Discs).

Bild: 2.35:1 (anamorph). Gut. Leider wieder mit Klingelton-Werbeeinblendung (oberer schwarzer Balken) während der Songs. Gelegentlich wird auch das T-Series-Logo rechts oben eingeblendet.
Untertitel: Englisch (optional).
Ton: DD 5.1 Hindi, gut (außerdem verfügbar: DD 2.0 Hindi).
Extras: Song Menu, Making of (auf extra Disc; 24 min, vorwiegend in englischer Sprache; ein paar Cast & Crew Interviews; leider wenig bis kein Kommentar von Bachchan oder Hooda).

Packende Erzählung eines traurigen Schicksals, das stellvertretend steht für ähnliche tragische indisch-pakistanische Lebensgeschichten und die Beharrlichkeit einer einfachen Frau würdigt.

Text © Markus Klingbeil
24.08.2016


Sarbjit

Indien 2016. Farbe. Originalsprache: Hindi. Länge: 132 Min. Bildverhältnis: 2.35:1 Kinostart: 20.05.2016 (IND) Budget: n/a Regie: Omung Kumar. Drehbuch: Utkarshini Vashishtha, Rajesh Beri. Kamera: Kiran Deohans. Schnitt: Rajesh Pandey. Musik: Shail Hada, Pritesh. Darsteller: Randeep Hooda, Aishwarya Rai Bachchan, Richa Chadda, Darshan Kumar, Shiwani Saini, Ankita Shrivastav, Ankur Bhatia.
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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih