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2013

Bilder © DCM Film Distribution GmbH
** Die Karte meiner Träume
jean-pierre jeunet


Der 10-jährige T.S. Spivet ist in seiner Schule unterfordert, sein Wissens- und Erlebnisdrang aber ungebremst. Als eine seiner Erfindungen einen Preis gewinnt macht er sich alleine auf den Weg quer durchs Land – von Montana nach Washington.

Ein Bestseller bietet mal wieder die Grundlage für einen Kinofilm. Der französische Regisseur Jean-Pierre Jeunet und sein (seit 1995) bewährter Co-Drehbuchautor Guillaume Laurant konzipierten dabei die Umsetzung der Kinderabenteuergeschichte von US-Autor Reif Larsen so um sie mit bestmöglichen technischen Mitteln erzählen zu können. Die 3D-Technik begeistert und ist ein integraler Bestandteil um die Besonderheiten des Buches zu würdigen. Wer Jeunets frühere Filme insbesondere seinen Welthit „Die fabelhafte Welt der Amelie“ (2001) kennt, der weiß, dass er immer für Schauwerte sorgt. Aber reicht das diesmal um einen unterhaltsamen Film abzuliefern ? Die Hauptfigur in „Die Karte meiner Träume“ ist ein kleiner Junge, hochintelligent aber im emotionalen Verhalten nicht alterskonform was auch der Familienkonstellation geschuldet ist. Sein Vater (TV-Seriendarsteller Callum Keith Rennie, Battlestar Galactica) ein Cowboy, der lieber seine Hände benutzt als sich den Kopf zu zerbrechen und wenig mit dem kleinen T.S. anfangen kann. Zwillingsbruder Layton (Jakob Davies) passt besser zu Dad. Die Mutter (Helena Bonham Carter, Dark Shadows) eine Wissenschaftlerin, Insekten sind ihr Spezialgebiet. Dahin fließt ihre Energie. Auch die ältere Schwester (Niamh Wilson, Saw 3-6) kann wenig mit T.S. (Kyle Catlett, TV-Serie The Following) anfangen. Warum sie so sind liegt an einer Familientragödie, an nicht oder unzureichend geleisteter Trauerarbeit, an der Unfähigkeit zu kommunizieren. So hat es T.S. leicht auszubüchsen ohne dass man es gleich merkt und zielstrebig mit seinem Koffer alleine auf große Reise zu gehen. Dank Zug kommt man sehr weit. Und in Washington, im Smithsonian Institut, wartet die Kuratorin Miss Jebsen (Judy Davis, To Rome with Love) auf ihn. Dass T.S. ein Kind ist ahnt sie nicht.

Jeunet mag Hollywood nicht. Gebrandmarkt durch seine schlechten Erfahrungen beim Dreh von „Alien – Die Wiedergeburt“ (1997) hat er es seitdem vorgezogen in Frankreich zu drehen wo ihm keiner reinredet. Ein anderes amerikanisches Projekt, das er allerdings gerne umgesetzt hätte, „Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger“ scheiterte damals an der Finanzierung. Viele Jahre später hatte Ang Lee mehr Erfolg damit, gewann sogar einen Regie-Oscar. Mit „Die Karte meiner Träume“ also jetzt Jeunets zweiter Film in englischer Sprache, gedreht in Kanada ohne Mithilfe von Hollywodstudios. Die Weinstein-Brüder werden versuchen das Werk einem US-Publikum anzutragen was nicht einfach sein wird. Martin Scorsese hat 2011 mit „Hugo Cabret“ eine Geschichte von einem Jungen erzählt, der im Bahnhof Abenteuer erlebt. Visuell berauschend (3D) floppte die 170 Mio-Dollar-Produktion. Jeunets (weitaus günstigere) Verpackung sieht ähnlich gut aus hat aber weniger interessanten Inhalt zu bieten. Das Wunderkind T.S. bleibt einem fremd; zu abgeklärt und erwachsen wirkt die Darstellung von Kyle Catlett. Der wiederum ist tatsächlich ein Knabe, der seinen Altersgenossen weit voraus ist, sechs (!) Sprachen spricht und Weltmeister in Mixed Martial Arts war. Die Begeisterung Jeunets war so groß, dass er regelrecht um die Zeit am Set mit den Produzenten von Catletts parallel laufender TV-Serie kämpfen musste. Noch enttäuschender, dass sich der Aufwand nicht in dem Maße gelohnt hat wie man es sich wünschen würde. So entgleitet Jeunet die Inszenierung immer mehr, hangelt sich von Episodenerlebnis zu Episodenerlebnis und endet in einer wüsten Karikatur sensationsgeiler US-Talkshows.

Statt einem weiteren Glücksmoment im Stil von „Hugo Cabret“ enttäuscht Jeunets siebter Kinofilm. In Frankreich hat „Die Karte meiner Träume“ weitaus weniger Publikum angelockt als seine bisherigen Filme.

Text © Markus Klingbeil
13.07.2014

Die Karte meiner Träume
(The Young and Prodigious T.S. Spivet)

Frankreich, Kanada 2013. Farbe. Originalsprache: Englisch. Länge: 105 Min. Bildverhältnis: 2.35:1 Kinostart: 16.10.2013 (F) 10.07.2014 (D). Budget: 33 Mio. USD Einspiel: n/a Regie: Jean-Pierre Jeunet. Drehbuch: Jean-Pierre Jeunet, Guillaume Laurant. Romanvorlage: Reif Larsen. Kamera: Thomas Hardmeier. Schnitt: Hervé Schneid. Musik: Denis Sanacore. Darsteller: Kyle Catlett, Helena Bonham Carter, Judy Davis, Callum Keith Rennie, Niamh Wilson, Jakob Davies, Rick Mercer, Dominique Pinon, Julian Richings, Richard Jutras
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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih