1989
Bilder © Mei Ah Entertainment
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**** Wild Search
ringo lam
Bei einem missglückten Waffendeal wird Elaine Lee, die Mutter eines vierjährigen
Mädchens, erschossen. Der zuständige Polizist Lau Chung Pong, den alle nur Mew rufen (Chow Yun-Fat), bringt das Kind
bei der Tante (Cheri Chung) in deren Heimatdorf unter. Auf der Suche nach dem Vater stößt Mew auf den Geschäftsmann
Hung (Paul Chun), der das Antiquitätengeschäft von Elaine, seiner Geliebten, als Fassade für verbrecherische
Aktivitäten nutzt. Hung und seine Schergen versuchen mit allen Mitteln Mew von weiteren Ermittlungen
abzuhalten.
Ein Kind im Handlungsmittelpunkt eines Thrillers, zudem noch Zeuge eines Mordes, mag
den einen oder anderen an amerikanische Krimikost erinnern. Insbesondere, wenn die Handlung zwischen Großstadt und Dorf
pendelt. Harrison Ford wurde 1985 für seine Rolle als Cop, der seine Hand schützend über einen Amish-Jungen hält, in
Peter Weirs "Der einzige Zeuge" für den Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert. Das Drehbuch von Nam Yin (Prison on
Fire I & II) lässt allerdings alle religiösen Hintergründe und kulturellen Stolpersteine weg und strukturiert seine
Geschichte auch in einer Weise, die genug Eigenständigkeit zeigt um nicht als schnödes Remake abgetan zu werden.
Interessant ist zudem, dass Regisseur Ringo Lam (Looking for Mr.
Perfect, Full Contact) hier nicht den Schwerpunkt auf harte Action legt -
wer seine Werke kennt, der weiß, wie gut er das kann - sondern sich Zeit nimmt für die Charakterisierung der
Hauptfiguren. "Wild Search" hat zwar seine stilisierten Bloodshed-Momente, wie man sie von den Gangsterfilmen aus Hong
Kong insbesondere der 80er Jahre kennt, überzeugt aber auch in den ruhigen Momenten.
Mit Chow Yun-Fat, der 1986 durch John Woos "A Better Tomorrow" zum gefeierten Actionstar
wurde, arbeitete Regisseur Lam mehrmals erfolgreich zusammen. Am bekanntesten mag der irrwitzige Actionstreifen
"Full Contact" (aka "Cover Hard") sein, in dem sich ein totgeglaubter Chow
Yun-Fat auf gnadenloser Rachetour befindet. Und "City on Fire" wird meist im Zusammenhang mit Tarantinos "Reservoir
Dogs" genannt. Dass der amerikanische Filmenthusiast sich gerne von asiatischen Werken beeinflussen lässt konnte man
zuletzt in "Kill Bill - Vol.1" überprüfen. In "Wild Search" bricht Chow
Yun-Fat aus den üblichen Klischees des rachedurstigen Gesetzeshüters mit Tunnelblick aus, der trotz Suspendierung vom
Dienst auf eigene Faust weiter ermittelt und eine Spur von Gewalt und Destruktion hinterlässt. Stattdessen präsentiert
sich die Hauptfigur als verhältnismäßig rational agierender Mensch, ein Cop, der seit 16 Jahren Dienst schiebt, noch
immer am gewaltsamen Verlust von Frau und Kind leidet, trotzdem mit einer gesunden Portion Humor ausgestattet ist und
Feingefühl beim Umgang mit Kindern zeigt. So wirkt die Annäherung zwischen ihm und Cher (Cherie Chung), der Tante des
kleinen Mädchens, auch nie aufgesetzt oder unglaubwürdig. Es sind die kleinen Gesten und nicht die großen Worte, die
hier zählen.
So versucht Mew sowohl in der Dienstzeit als auch während seiner Suspendierung - ein
hitziges Aufeinandertreffen mit Gangster Hung wurde ihm angekreidet - Cher näher zu kommen. Die ist aber selbst
emotional angegriffen, da eine gescheiterte Ehe hinter ihr liegt, ihr Ex-Ehemann aber penetrant versucht wieder an
ihrem Leben teilzuhaben. Als wäre man nicht schon überrascht genug bei einem Ringo-Lam-Film tiefer in die Beziehungen
der Protagonisten einzusteigen, so widmet sich das Drehbuch von Nam Yin auch dem Verhältnis vom Opa zur mutterlosen
Enkelin, denn der ältere, wertebewusste Herr hatte bisher keinen Kontakt zu dem Mädchen und straft sie, wohl auch weil
sie ein uneheliches Kind ist, mit Missachtung. Die 4-jährige war zwar Zeugin eines Mordes, ihre Präsenz ist aber in der
Dramaturgie vor allem notwendig für das Knüpfen von familiären und anderen emotionalen Banden. Das wirkt natürlich,
glaubwürdig und kitschfrei. Als potentielle Gefahr wird das Kind von den Gangstern erst mal nicht wahrgenommen,
vielmehr ist es der neugierige, beharrliche Cop Mew, der Grund für die Unruhe bei den Gangstern ist. Das gibt Ringo Lam
Gelegenheit an passenden Stellen seine Actionsequenzen einzubauen. Vom anfänglichem Realismus (die Cops haben ernste
Probleme eine Tür einzutreten!) dieser dramaturgischen Eingriffe bleibt bis zum feurigen Finale bei der Privatfehde
zwischen einem wütenden Killer (Roy Cheung) und Chow Yun-Fat zwar nicht mehr soviel übrig, nichtsdestotrotz gehört
"Wild Search" wohl zu Ringo Lams interessantesten Werken, weil die Mischung zwischen Charakterzeichnung und Action
stimmt.
Lam, der in der Vergangenheit ebenso wie Tsui Hark mehrere Filme mit Jean-Claude Van
Damme drehte, machte sich zuletzt etwas rar und fügte erst 2007 mit dem Gemeinschaftsprojekt "Triangle" seiner Vita
wieder einen Film hinzu. Während Chow Yun-Fat zuletzt in "Fluch der Karibik 3" zu sehen war hat sich Cherie Chung schon
1991 aus dem Filmgeschäft zurückgezogen. 42 Filme in 11 Jahren stehen bei ihr zu Buche, darunter Johnnie Tos Regiedebut
"The Enigmatic Case" (1980), Sammo Hungs "Winners & Sinners" (1983) und John Woos "Once a Thief" (1991). Sie
spielte insgesamt acht mal an der Seite von Chow Yun-Fat. Photographiert wurde "Wild Search" im übrigen von Andrew Lau,
der ein Jahr später bei "Against All" sein Regiedebut gab und 2003 mit "Infernal
Affairs" die Vorlage für Martin Scorseses oscarprämierten "The Departed" drehte. 1989 war Chow Yun-Fat gleich in
mehreren Filmen zu sehen, die größere Aufmerksamkeit auf sich zogen als "Wild Search": John Woos "The Killer", Tsui
Harks "A better tomorrow 3", Johnnie Tos "All about Ah Long" und Wong Jings "God of Gamblers". Wahrlich kein schlechtes
Jahr für den charismatischen Schauspieler.
DVD (Mei Ah, NTSC, Codefrei)
Die vorliegende DVD stammt aus der Zeit, als Qualitätskontrolle noch kein Thema in Hong
Kong war. D.h. das Bild ist zwar im Widescreen-Format (1.66:1) , ist aber weder anamorph abgetastet noch von Fusseln
und sonstigen Schmutzpartikeln befreit. Die fliegen immer wieder mal ins Bild, wie man es aber schon gewohnt ist. Dass
es an Bildschärfe mangelt kommt noch dazu. Der Ton liegt auf kantonesisch und mandarin vor (DD5.1). Untertitel gibt es
- Achtung ! - auf deutsch und englisch (+ eine Anzahl anderer Sprachen). Die deutsche Untertitelung ist dabei
erfreulich gut und hat nicht mehr Grammatik- oder Rechtschreibfehler wie man es von diversen englischen Übersetzungen
gewohnt ist. Beim Abspielen des Films zeigt die DVD im Player keinen Timecode, die Optik des Menus ist grauselig und
zum Abgewöhnen. Der Film ist in neun Kapitel unterteilt. Als Extras gibt's ein paar Trailer (diesmal auch zum
Hauptfilm) : The Shaolin Temple (mit einem jungen Jet Li) und ein Film mit Maggie Cheung. Außerdem kann man sich als
Appetizer einen Ausschnitt aus "God of Gamblers" und "The Enigmatic Case" ansehen. Wenn man seine Ansprüche nicht zu
hoch hängt ist die DVD durchaus brauchbar, eine Neuauflage dieses sehenswerten Werkes ist nicht in Sicht.
Chow Yun-Fat mal als bodenständigen Cop zu sehen ist eine willkommene
Abwechslung von der "heroic bloodshed"-Attitude, die sich durch viele seiner Gangsterfilme zieht. Und Regisseur Ringo
Lam zeigt in diesem 80er-Jahre-Spätwerk, dass er mehr kann als die Inszenierung von Actionfilmen, wie sich auch im
späteren Verlauf seiner Karriere zeigen sollte. So findet auch eine interessante Liebesgeschichte ihren Platz im Film
mit einem gut harmonierenden Paar Chow Yun-Fat / Cherie Chung.
Text © Markus Klingbeil
VÖ: 13.01.09
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