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2007
Bilder © Warner Bros.
*** Die Fremde in dir
neil jordan


Die New Yorker Radiomoderatorin Erica Bain (Jodie Foster) schwebt im siebten Himmel. Im Job läuft alles prima und die Hochzeit mit ihrem Verlobten David (Naveen Andrews) steht bevor. Da sie keine Angehörigen mehr hat freut sie sich sehr bald zur Familie Davids zu gehören. Doch bei einem Abendspaziergang im Central Park werden die beiden von Straßenschlägern überfallen. David erliegt seinen Verletzungen, Erica erwacht nach einigen Wochen aus dem Koma. Und sie hat große Schwierigkeiten sich wieder an das Leben zu gewöhnen.

Es ist schon eine Weile her, dass Neil Jordan einen Film in den USA gedreht hat. Der irische Regisseur hat seit dem von der Kritik verrissenen kommerziellen Flop ‚Jenseits der Träume' (1998) ausschließlich in Europa gearbeitet. Es folgten die Romanadaption ‚Das Ende einer Affäre' (1999), die Gaunerstudie ‚The Good Thief' (2002) sowie eine weitere Romanverfilmung um einen Transvestiten - ‚Breakfast on Pluto' (2005). Da scheint es auf den ersten Blick verwunderlich im Anbetracht der bisherigen Werke Jordans, dass sich sein neuester Film mit dem Thema Selbstjustiz beschäftigt. Leider schafft Jordan es nicht vollständig, den Film als interessante Charakterstudie eines innerlich gebrochenen Menschen zu gestalten. Zu schwer scheint die Hollyood-Bürde zu sein dem Mainstream zu gefallen und lieber die Knarre zwei-, dreimal mehr zu benutzen um sich zu rächen und Menschenleben auszulöschen anstatt das Innenleben der mit dem Schicksal hadernden Protagonistin genauer zu untersuchen.

Die Ansätze sind ohne Zweifel da und auch gelungen, insbesondere wenn die schwankende Kamerabewegung den Gefühlen zum Ausdruck verhilft. Die sich gerne mit ihrem Sound-Equipment in den Strassen New Yorks auf Geräusch- und Themensuche befindende Radiomoderatorin nimmt nach dem Überfall deutlich mehr wahr und interpretiert dies anders als vorher was wiederum paranoische Züge hat. Jordan versetzt dabei seine Hauptfigur in eine Art Trance-Zustand und es baut sich eine psychologische Spannung auf, die dann im ersten Mord nach dem illegalen Kauf einer Schusswaffe gipfelt. Getrieben von der Angst erneut Opfer eines Gewaltverbrechens zu sein erschießt Erica einen Mann, der vor ihren Augen eine Ladenverkäuferin umgebracht hat. Notwehr würde man im Polizeibericht vermerken, doch Erica flüchtet, nicht ohne vorher die Videokassette von der Überwachungskamera einzustecken.

Hier schon merkt man, dass Erica durch das erlittene Trauma innerlich abgestumpft ist und einer anfänglichen Panik Berechnung folgt. Nicht lange danach fallen ihr die Bösewichter quasi vor die Füße und sie kann die Vorgehensweise bei ihrer zwanghaften Mission als Racheengel weiter perfektionieren. Einer Mission, die sie bis zu den Schuldigen jener unheilvollen Nacht im Park führt. Als ‚Vigilante' wird sie bald in den Medien gefeiert und man muss unwillkürlich an Troy Duffys ‚Boondock Saints' (1999) denken bei dem zwei irisch-katholische Brüder hochgejubelt werden, weil sie Gangsterbosse in Boston reihenweise umlegen.

In Duffys wie auch in Jordans Film gibt es eine interessante Polizistenrolle, die langsam die Puzzleteile zusammensetzt und den Tätern/ der Täterin dicht auf die Pelle rückt. Ist's in ‚Boondock Saints' Willem Dafoe, bei dem sich eine leichte Sympathie für das Handeln der Brüder einschleicht, so ist es in 'Die Fremde in Dir' Terrence Howard (Hustel & Flow, 2005), dessen ethische Prinzipien ins Wanken geraten. Wie gerne hätte man dieses spannende Charakterduell zwischen Jodie Foster und Howard noch ausführlicher und intensiver gesehen und dafür auf ein unlogisches, unglaubwürdiges, effekthascherisches Ende verzichtet . So mutiert Foster im Verlauf des Films leider zu einer Art ‚Frau mit der 45er Magnum' (1981), die verbittert Unrecht mit Kugeln bestraft und sich ihren Weg durch unliebsame Gegenden bahnt um die Mörder ihres Verlobten zu richten.

Da ist der vor kurzem zum gleichen Thema gestartete ‚Death Sentence - Todesurteil' ehrlicher, weil Regisseur James Wan seine Unterhaltungsabsicht nicht erst mit tiefem Psychologisieren verschleiert sondern durch die sich abzeichnende comichafte Spirale der Gewalt die Glaubwürdigkeit seiner Story bewusst ‚wegballert'. Bei ‚Die Fremde in Dir' wird man zunächst mit einer spannenden Charakterstudie geködert um dann aber im Verlauf mit allzu vertrauten, abgestandenen Zutaten abgespeist zu werden. Schade um die verpasste Möglichkeit. Schade, dass das tolle Spiel der beiden Protagonisten nicht belohnt wird. In den USA wurde nach dem Einstieg auf Platz 1 der Boxoffice Charts mit mageren 14 Mio. Dollar der von Action-Spezialist Joel Silver produzierte ‚The Brave One' (so der Originaltitel) schon nach einer Woche von ‚Resident Evil: Extinction' von der Spitzenposition verdrängt.

‚Die Fremde in Dir' beginnt als vielversprechende Charakterstudie über einen Menschen, der durch eine Gewalttat das innere Gleichgewicht verloren hat, mutiert aber trotz einer gut aufspielenden Jodie Foster zum wenig einfallsreichen Hollywood-Selbstjustiz-Thriller.

Text © Markus Klingbeil
VÖ: 23.09.2007

Die Fremde in dir
(The Brave One)

USA /AUSTRALIA 2007. Länge: 119 min Bildverhältnis: 1:2.35 Kinostart: 14.09.2007 (US) 27.09.2007 (D) Budget: - Einspiel: 36.8 Mio. USD (US) 69.8 USD (weltweit) Regie: Neil Jordan. Story: Roderick Taylor, Bruce A. Taylor. Screenplay : Roderick Taylor, Bruce A. Taylor, Cynthia Mort. Kamera: Philippe Rousselot Schnitt: Tony Lawson Musik: Dario Marianelli Darsteller:Jodie Foster, Terrence Howard, Nicky Katt, Naveen Andrews, Mary Steenburgen
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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih