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2010
Bilder © Kinowelt
*** Der Ghostwriter
roman polanski


Der plötzliche Tod seines Vorgängers bringt einem Ghostwriter (Ewan McGregor) den lukrativen Job ein die Memoiren eines Ex-Premierministers zu vollenden. Ungeklärte Fragen aus der Vergangenheit und Anschuldigungen eines ehemaligen Weggefährten machen den Politiker allerdings zur Zielscheibe der Medien und des Kriegsverbrechertribunals und setzen den Ghostwriter selbst einer Lebensgefahr aus.

Es liegt schon wieder fast fünf Jahre zurück, dass Roman Polanski einen Spielfilm gedreht hat. Diesmal meldet sich der Regisseur solch unterschiedlicher Werke wie "Der Pianist", "Rosemarys Baby" und "Tanz der Vampire" mit einem Thriller zurück bei dem er sich mit dem politischen Journalist und Romanautor Robert Harris zusammengetan hat. Der hatte Polanski das Manuskript noch vor der Buchveröffentlichung zugesandt, da beide bereits vorher an einer Zusammenarbeit eines anderen nicht realisierten Projektes interessiert waren.

Es geht um einen jungen Mann, glaubhaft verkörpert vom omnipräsenten Darsteller Ewan McGregor (Männer, die auf Ziegen starren, I love you Phillip Morris, Illuminati), der ganz nach klassischem Hitchcock-Stil als unbescholtener Bürger in eine Sache hineingezogen wird, die böse für ihn enden könnte. Ein komisches Gefühl hat unser Protagonist, den wir als aussenstehenden Betrachter nie aus dem Auge verlieren, schon bald, denn er wird bereits vor seiner Reise im heimischen London überfallen. Aber 250.000 Dollar für vier Wochen sind dann doch zu verlockend.

Gearbeitet wird in Amerika, auf einer kleinen Insel an der Ostküste (Martha's Vineyard, Massachusetts), wohin sich der britische Ex-Premierminister Lang (Pierce Brosnan, Percy Jackson - Diebe im Olymp) mit seiner Frau und einigen Mitarbeitern zurückgezogen hat. Das dem Neuankömmling hier so einiges komisch und bald auch mysteriös vorkommt spiegeln die Abgeschiedenheit der Wohnlage, das stürmische Wetter und die peniblen Sicherheitsvorschriften, die Langs Assistentin Amelia Bly (Kim Catrall, Sex and the City) verkündet, perfekt wieder.

Autor Harris war damals zu Tony Blairs Zeiten als Journalist dicht dran am inneren Zirkel der Macht und kaum verwunderlich wirken manche Charakteristika des hier vorgestellten Ex-Regierungschefs wie aus dem realen Leben entnommen. Denn auch Brosnans Figur des gelackten Lang war zu seiner Amtszeit ein Freund der Amerikaner und hat seine politischen Entscheidungen mit der führenden Weltmacht abgestimmt. Lang wird hier sogar als Kriegsverbrecher beschimpft, weil er beim Kriegseinsatz im Irak britische Terrorverdächtige zur Folterung durch die CIA freigegeben hat.

Politscher Zündstoff steckt also durchaus in dieser Geschichte, die Harris aber keinesfalls als Seitenhieb auf Tony Blair verstanden sehen will, da ihm die Grundidee zum Roman schon vor 15 Jahren eingefallen sei. Interessiert habe ihn vor allem auch wie sich das Verhältnis vom normalen Bürger zum hochrangigen Politiker und umgekehrt verhalte. Wie sich Macht und Machtverlust auswirkt. Für Brosnan ist es zwar nur eine kleine Rolle aber nach vielen vergessenswerten Darbietungen nach James Bond mal wieder ein interessanterer Auftritt, den er auch gefällig durchzieht.

Seine Figur wird mit einem gewissen Augenzwinkern beschrieben, denn der vor den Kameras so selbstbewusst auftretende Politiker im Ruhestand entpuppt sich als Mann mit Schwächen, der den Sinn für Alltagstätigkeiten verloren hat und sein Handeln von Beratern bestimmen lässt. Das bietet auch Gelegenheit die wohl interessanteste Nebenfigur der Handlung kennen zu lernen, nämlich die der intelligenten Gattin Langs, vorzüglich gespielt von der Britin Olivia Williams (zeitgleich auch in "An Education" im Kino zu sehen). Als ehemalige First Lady wirkt sie undurchsichtig aber auch etwas vergrämt, weil die eheliche Beziehung auf wackeligen Beinen steht.

Was schauspielerisch im Film überzeugt wirkt inhaltlich an der einen oder anderen Stelle etwas zu konstruiert und unlogisch (z.B. wie sich die Sicherheitseinstellung bzgl. des brisanten Manuskripts der Memoiren plötzlich ändert). Schön und stilvoll sind aber die von Polanskis polnischem Landsmann Pawel Edelman eingefangenen Bilder. Edelmann arbeitete schon bei den Filmen "Oliver Twist" (2005) und "Der Pianist" (2002) mit Polanski zusammen. Der Regisseur wäre sicher auch gerne persönlich bei der Weltpremiere von "Der Ghostwriter" auf der 60. Berlinale 2010 dabei gewesen. Stattdessen sitzt er im Hausarrest in seinem Schweizer Domizil (hier stellte er die Endfassung des Filmes auch fertig) und wehrt sich gegen eine Auslieferung in die USA.

Der teilweise auf den Inseln Sylt und Usedom gedrehte Film ist ein solider Thriller, der mit einer durchweg guten Besetzung bis in die Nebenrollen punktet und damit Schwächen im Drehbuch ausgleicht. Sicher kein Highlight im Oeuvre eines Roman Polanskis aber unterm Strich ordentliches Unterhaltungskino.

Text © Markus Klingbeil
16.02.2010

Der Ghostwriter - Nichts ist gefährlicher als die Wahrheit

(The Ghost Writer)

D/UK/F. Farbe . Originalsprache: Englisch. Länge: 128 Min. Bildverhältnis: 2.35:1 Kinostart: 19.02.2010 (USA) 18.02.2010 (D). Budget: 40 Mio. USD Einspiel: n/a Mio. USD (USA) Regie: Roman Polanski. Buch: Robert Harris. Screenplay: Roman Polanski, Robert Harris. Kamera: Pawel Edelman. Schnitt: Hervé de Luze. Musik: Alexandre Desplat. Darsteller: Ewan McGregor, Jon Bernthal, Kim Cattrall, Pierce Brosnan, Tim Preece, James Belushi, Olivia Williams, Timothy Hutton, Tom Wilkinson, Eli Wallach.
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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih