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2007
Bilder © Kinowelt
**** Counter Investigation -
Kein Mord bleibt ungesühnt

franck mancuso


Für Polizist Richard Malinowski (Jean Dujardin) und seine Ehefrau Claire (Agnès Blanchot) ist es der schlimmste Tag des Lebens als sie erfahren, dass ihre 9-jährige Tochter vergewaltigt und ermordet in einem Waldstück aufgefunden wurde. Dank engagierter Polizeiarbeit wird schnell ein Verdächtiger namens Daniel Eckmann (Laurent Lucas) in Gewahrsam genommen, der die Tat später auch gesteht. Es kommt nach einem Jahr schließlich zum Schuldspruch und der vermeintliche Täter wird für 30 Jahre hinter Gitter gesperrt, eine frühzeitige Entlassung ist erst nach 22 Jahren möglich. Als Malinowski jedoch Briefe von Eckmann erhält in denen er seine Unschuld beteuert, beginnt der Polizist zu zweifeln ob der Mörder seiner Tochter wirklich gefasst ist. Er ermittelt erneut - zum Unverständnis der Kollegen.

Das Schlimmste was einem im Leben passieren kann ist einen geliebten Menschen zu verlieren. Diese schmerzhafte Erfahrung ist wohl für niemanden zu vermeiden. Wenn der Tod aber unnötig und gewaltsam geschieht, verursacht durch einen Menschen, der sich dadurch Lust, Befriedigung oder Genugtuung verschafft bricht mitunter beim Angehörigen neben Verzweiflung, Trauer und Wut auch der Wunsch nach Rache hervor, die zur kriminellen Eigeninitiative führen kann. Selbstjustiz ist da kein unbekannter Begriff. Franck Mancusos Regiedebut ist allerdings keiner der Filme, die in ‚Ein-Mann-sieht-rot'-Manier mit allen Mitteln versuchen den verurteilten Täter körperlich zu quälen oder gar zu töten um zu bestrafen. Die Ausgangssituation lädt ja geradezu ein diesen ausgetretenen Pfad einzuschlagen. Stattdessen beschäftigt sich Mancuso, der früher selbst 20 Jahre im Polizeidienst tätig war, mit der psychologischen Seite und den Auswirkungen, die der Tod des Kindes insbesondere auf den Vater hat. Denn Cop Malinowski weiß genau Bescheid wie Mordfälle bearbeitet werden und als sich die Zweifel häufen, ob der wahre Täter im Knast sitzt beginnt er akribisch zu recherchieren, insbesondere da der mehrfache Kindermörder Salinas, wie sich erst später herausstellt, zur Tatzeit in Tatortnähe gesehen wurde.

Das Reizvolle an "Counter Investigation" ist eben diese besondere, fast schon paradoxe Konstellation - ein Polizist begnügt sich nicht damit, einen Schuldigen für die Tat gefunden zu haben, sondern forciert durch seine eigenmächtige Untersuchung das Verfahren neu aufzurollen und einen vom Gericht für schuldig befundenen Menschen auf freien Fuß zu setzen. Dabei riskiert der Protagonist nicht nur seine Reputation unter den Kollegen sondern auch seine Ehe, denn all diese Aktivitäten und der Briefkontakt mit Eckmann geschieht ohne Wissen geschweige denn Zustimmung seiner Frau (gespielt von Agnès Blanchot, Lebensgefährtin von Regisseur Mancuso). ‚Counter Investigation' ist also kein harter Cop-Thriller, der mit kanonenschwingenden Gangstern und halsbrecherischen Verfolgungsjagden um Aufmerksamkeit buhlt sondern ein ruhig inszenierter, präziser und realistisch anmutender Film, der einen interessanten Einblick in die Polizeiarbeit gibt und sein Hauptaugenmerk auf das Leben eines von Zweifeln getriebenen Vaters legt. Dass dies nicht zu einer langatmigen Detailversessenheit ausufert ist den bravourös aufspielenden Protagonisten Jean Dujardin und Laurent Lucas zu verdanken, die sich ein intelligentes Katz-und-Maus-Spiel liefern.

Dujardin spielt den Cop als ‚Normalo', einen Familienmensch, der seine Tochter über alles liebt aber wegen seiner Gewissenhaftigkeit beim Job viel zu wenig Zeit für das Familienleben hat. Überzeugend ist Dujardin sowohl bei dramaturgisch wichtigen emotionalen Ausbrüchen wie der Moment als ihm die schrecklich Nachricht mitgeteilt wird oder er das erste Mal dem vermeintlichen Killer gegenübersteht als auch in abgeklärten, ruhigen Momenten. Ein Schauspieler, der in komischen Rollen glänzt (siehe "OSS 117") und in ernsten Rollen nicht enttäuscht; kurzum ein Gesicht, das man gerne wieder sieht. Ihm nichts nachstehend verbreitet der vielseitige Schauspieler Laurent Lucas, trotz weitaus weniger Szenen als Dujardin, mit einer Mischung aus unterkühltem Charme, weichgezeichneter Unschuldsmiene und verzerrtem Grinsen eine teuflische Stimmung. Der Charakter des Daniel Eckmann verliert nicht viele Worte im gesamte Film. Wenn, dann formuliert er wohldurchdachte Sätze auf Papier. Durch seine teils widersprüchliche Mimik und Gestik, angelegt zwischen Kalkül und Unsicherheit, lässt Lucas das Publikum emotional hin-und-herspringen. Ist Eckmann der Täter oder steckt da doch ein Fünkchen Wahrheit hinter seinen Unschuldsbeteuerungen ? Ist Malinowski nur der Spielball eines intelligenten Killers oder ist es richtig sich nur auf Fakten und Menschenkenntnis zu verlassen ? Wer schon zur Halbzeit glaubt die Handlung komplett durchschaut zu haben, dem sei gesagt, dass nicht alles so geradlinig verläuft wie man manchmal meint.

Regiedebutant und Drehbuchautor Franck Mancuso wirft seine eigene 20jährige Erfahrung als Polizist in die Waagschale um ein spannendes, realistisch gehaltenes Porträt eines Kriminalbeamten zu entwerfen, der den Verlust seines geliebten Kindes verkraften muss. Top besetzt mit Jean Dujardin als zweifelndem Vater und Laurent Lucas als potentiell unschuldigem Täter besticht ‚Counter Investigation' durch eine interessante, ungewöhnliche Story, die auch ohne oberflächlichen Aktionismus, Muskelspiele und Gunplay überzeugt. Ein intelligentes Psychodrama aus Frankreich mit einer raffinierten Schlusspointe.


Text © Markus Klingbeil
VÖ: 05.08.2007

Counter Investigation - Kein Mord bleibt ungesühnt

(Contre-enquête)

F 2007. Farbe. Originalsprache: Französisch. Länge: 85 Min. Bildverhältnis: n/a Kinostart: 07.03.2007 (F) 20.12.2007 (D, DVD-Premiere). Budget: n/a Einspiel: n/a Regie: Franck Mancuso. Buch: Laurence Block. Screenplay: Franck Mancuso, Josiane Morand. Kamera: Jérôme Alméras. Schnitt: Andréa Sedlackova, Franck Desmoulins. Musik: Krishna Levy. Darsteller: Jean Dujardin, Laurent Lucas, Agnès Blanchot, Aurélien Recoing, Jean-Pierre Cassel, Jacques Frantz, Alexandra Goncalvez.
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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih