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2006
Bilder © Tartan
**** Sheitan
kim chapiron


Drei junge Männer und zwei junge Frauen fahren über Weihnachten aufs Land zum Wohnort einer der Frauen. Doch was als Vergnügungstour geplant ist entwickelt sich bald zum tödlichen Horrortrip. Und Wohnhausverwalter Joseph (Vincent Cassel) hat dabei seine Finger im Spiel.

Es gibt nicht allzu viele Schauspieler, die durch ihre Präsenz in verschiedenen Rollen und verschiedenen Filmgenres das Publikum (positiv) überraschen können. Der Franzose Vincent Cassel gehört definitiv dazu. Im Alter von 22 Jahren übers Fernsehen in die Unterhaltungsbranche eingestiegen machte er sieben Jahre später 1995 mit seiner Rolle in Mathieu Kassovitz Kinofilm "La Haine" international von sich reden.

Spielt er vorwiegend in europäischen Produktionen (Irréversible, Die Purpurnen Flüsse, Public Enemy No.1) so sind seine Künste auch in Hollywood gefragt (Entgleist, Ocean's Twelve, Tödliche Versprechen). 2006 lies er es sich nicht nehmen den Independent-Fantasy-Horror-Streifen "Sheitan" zu produzieren und eine Rolle zu übernehmen. Wohl der durchgeknallteste Part seit "Dobermann" (1997). Cassel selbst hatte lange keinen Plan wie er die Rolle des diabolischen Hausverwalters spielen sollte und sah kurzfristig vor seinem geistigen Auge auch schon seine Karriere den Bach runtergehen.

Doch weit gefehlt muss man beim Anblick des Resultats sagen, denn Cassel bringt eine beängstigend gute Darbietung auf die Leinwand, die unterstützt durch ein ungemütliches Hinterwäldlerimage die Nackenhaare schon einmal in Alarmbereitschaft versetzt. Ein unnatürliches Dauergrinsen, das ein kaum perfektes (falsches) Gebiss zur Schau stellt und die übertriebene Kumpanei, die er den jungen Gästen förmlich aufdrängt, versetzen den genreerprobten Filmfreund schon einmal in angespannte Erwartungshaltung. Und Langfilmdebütant Kim Chapiron, den Cassel schon seit früheren Kurzfilmtagen kennt, schlägt genügend Haken bei der Erzählung seiner Geschichte um für wechselhafte Momente zu sorgen.

Die wilde, sauf- und sexgeile Jugend steht im Mittelpunkt dieser sich zu einer düsteren Bissigkeit hochschaukelnden Schauermär. Wenn eine aufreizende junge Frau zum Party-Christmas-Spaß ins sturmfreie elterliche Wohnhaus auf dem Lande einlädt dann zögern hormongesteuerte junge Männer nicht lange. Da lässt man sich auch durch Geldknappheit und Spritbedarf nicht daran hindern sondern übertölpelt mal so eben den abgelenkten Tankstellenwart. In dieser Szene zeigt sich auch wie detailliert Chapiron seine Geschichte ausschmückt, denn Monica Bellucci, Ehefrau von Vincent Cassel, hat hier einen Miniauftritt im Horror-Film, der im TV läuft.

Ein erster Hinweis darauf, in welche Richtung uns die Erzählung treiben wird nachdem die wilde Diskoszene mit anschließender Autoraserei schon mal den Puls nach oben getrieben hat. Was folgt sind Begegnungen mit Einheimischen, die aus John Boormans "Beim Sterben ist jeder der Erste" entsprungen sein könnten, merkwürdige Spielereien in einer heißen Quelle und sexuell angeheizte Situationen, die je nachdem welcher der Protagonisten zugegen ist von derben bis komische bis groteske Züge aufweist. Insbesondere Cassels Figur trampelt ohne Schüchternheit und Scham mit ganzer Körperfülle auf den bei der Jugend ohnehin kaum noch vorhandenen Anstandsidealen herum.

Da werden aus den halbstarken, unterhaltungswilligen Ankömmlingen schnell genervte Spielverderber. Zwar werden ihnen vom Publikum große Sympathien kaum gegönnt, weil sie bis auf eines der Mädchen mehrheitlich zur egoistischem, vergnügungssüchtigen Fraktion zu zählen sind, doch wünscht man ihnen nicht in die Fänge des wankelmütigen, sprunghaft und unvorhersehbar agierenden Joseph zu geraten. Und man darf auch seine hochschwangere Frau und seine Nichte nicht vergessen, die sich ihren Anteil an der Aufmerksamkeit von den Gästen holen.

Wer jetzt ein fast schon übliches Splatter-Gemetzel erwartet, der wird enttäuscht sein, denn die Gore-Effekte sind auf ein Minimum reduziert. Chapiron setzt auf wilde, naturalistische Handkamerafahrten, schräge Kamerawinkel und ein ausgezeichnet ausgetüfteltes Sound-Design, das der filmischen Geisterbahnfahrt eine sich steigernde gewalttätige Stimmung verleiht. Zwar kaschiert das dann den einen oder anderen erzählerischen Bruch in der Geschichte nicht vollends, hilft aber enorm den fiesen Charakter des Films mit zunehmender Laufzeit immer mehr herauszuschälen.

DVD (Tartan, Code1, NTSC)

Da Regisseur Kim Chapiron statt Hochglanzlook einen, rauen, natürlichen Stil bevorzugt hat das Bild hier keinen Referenzcharakter, ist aber frei von Störfaktoren. Bildformat ist 1:1.85 anamorph. Der Ton liegt in der französischen Originalfassung in verschiedenen Varianten vor (DD2.0, DD5.1, DTS). Dabei zeigt sich die Dynamik des Films insbesondere beim Bilderreigen mit DTS-Ton. Der fordert die Surround-Speaker ordentlich und trägt gehörig zum Unterhaltungswert von "Sheitan" bei. Die Untertitel liegen in englischer und spanischer Sprache vor.

Als Extras gibt's den Trailer zum Film und einigen Beiträgen aus Tartans "Asian Extreme"- Abteilung. Äußerst interessant und kurzweilig ist das Making of zum Film, bei dem Vincent Cassel in ausführlichen Interviewschnipseln bereitwillig über die Entstehungsgeschichte von "Sheitan" Auskunft gibt. Eingefügt sind auch Szenen vom Schauspielertraining (einige Darsteller hatten nur wenige bis keine Filmerfahrung) als auch von der Stuntvorbereitung. Das Making of ist unüblicherweise wie der Hauptfilm ohne Timecode!

Mit "Sheitan" ist Regisseur Kim Chapiron ein fieses, kleines, abwechslungsreiches Langfilmdebüt gelungen in dem Vincent Cassel in seiner abgedrehtesten, teuflischten Rolle seit "Dobermann" agiert. Klare Empfehlung für Fans des düsteren Fantasyhorrors.

Text © Markus Klingbeil
VÖ: 06.07.2009

Sheitan
(Sheitan)

Frankreich 2006. Farbe. Originalsprache: Französisch. Länge: 94 Min. Bildverhältnis: 1:1.85 Kinostart: 01.02.2006 (Frankreich) Budget: - Einspiel: - Regie: Kim Chapiron. Buch: Kim Chapiron, Christian Chapiron. Kamera: Alex Lamarque. Schnitt: Benjamin Weill. Musik: Nguyen Lê. Darsteller: Vincent Cassel, Olivier Bartélémy, Roxane Mesquida, Nico Le Phat Tan, Leïla Bekhti, Ladj Ly, Julie-Marie Parmentier, Monica Bellucci.

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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih