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2009
Bilder © Universal Pictures
** Public Enemies
michael mann


Amerika im Jahr 1933. Das Land befindet sich noch in der großen Depression, ausgelöst durch den Börsencrash vier Jahre zuvor. Verschiedene Gangsterbanden treiben ihr Unwesen und stellen die schlecht organisierten Gesetzeshüter vor einige Probleme. Einer der meistgesuchtesten Bankräuber ist John Dillinger (Johnny Depp). Den erklärt FBI-Chef J. Edgar Hoover zum Staatsfeind Nr.1 - und sein bester Mann Melvin Purvis (Christian Bale) soll ihn schnappen.

John Dillinger, Homer Van Meter, Pretty Boy Floyd, Alvin Karpis, Baby Face Nelson, Bonnie Elizabeth Parker, Clyde Chestnut Barrow, Machine Gun Kelly sind nur einige Namen berüchtigter Krimineller, die in den 30er Jahren durch die verschiedenen Staaten Amerikas zogen um sich auf illegale Weise Reichtum zu verschaffen (Al Capone hatte da seine Glanzzeit schon hinter sich und saß im Knast). Das hat schon früh die Unterhaltungsindustrie Hollywoods zu mehr oder weniger faktentreuen Gangsterstreifen inspiriert. Praktisch jeder der Outlaws kam zu filmischen Ehren.

In die Haut von Dillinger schlüpften bereits über ein Dutzend verschiedener Schauspieler, darunter sind Lawrence Tierney (Dillinger, 1945), Warren Oates (Dillinger, 1973) und Mark Harmon (Dillinger, 1991) wohl die bekanntesten Namen. Jetzt also versucht der durch die "Fluch der Karibik"-Reihe zum Mainstream-Star avancierte US-Amerikaner Johnny Depp den Mythos des legendären Gangsters wiederzubeleben. Und im Gegensatz zu Warren Oates Interpretation kultiviert Depp das romantisierende Image eines Volkshelden, eine Art Robin Hood, der das Geld nur den Banken stiehlt, normale Bürger aber verschont.

Wenn Michael Mann Regie führt, dann konnte man in der Vergangenheit auf spannende, intelligente Unterhaltung setzen. Gangsterfilme und Thriller sind dabei sein Steckenpferd. "Manhunter", "Heat", oder "Collateral" sind äußerst gelungene Genrefilme, mit "Miami Vice", seinem letzten Film konnte Mann allerdings weniger begeistern. Den negativen Trend setzt er mit seinen Retro-Thriller "Public Enemies" leider fort. Ein erstes Manko des Films ist schnell ausgemacht und die Hoffnung auf Besserung wird nicht erfüllt. Dillinger war ein gefürchteter Bankräuber, der über Chicagos und Illinois Grenzen hinaus seine Taten vollbrachte. Wie lieblos und spannungsarm Mann das aber inszeniert ist die erste Enttäuschung.

Dramaturgisch kommt der Film auch nicht so recht in Gang. Nach der Befreiung von Gangsterkollegen aus dem Knast und der Einführung unzähliger Figuren, die z.T. sehr früh aus dem Leben scheiden wird in epischer Breite die Liebesbeziehung zu Dillingers Objekt der Begierde thematisiert. Billie Frechette heißt die und wird gespielt von der französischen Oscar-Preisträgerin Marion Cottilard (La vie en rose). Depp spielt den sie umgarnenden Kriminellen charmant aber bestimmt. Man merkt dadurch frühzeitig, dass Mann seine Hauptfigur ausführlicher und tiefergehender charakterisieren will als es die vorigen Filme gemacht haben - er nimmt sich dafür auch fast 2 ½ Stunden Zeit. Dabei lässt er aber das Gespür für eine spannende Entwicklung der Geschichte vermissen.

Dillinger scheint gar nicht so ein übler Bursche zu sein, er behandelt seine Frau gut, hat Verständnis für die von der Wirtschaftskrise gebeutelten Bürger und bestraft die Reichen in dem er ihre Bankkonten plündert. Ganovenehre steht bei ihm hoch im Kurs, Kumpel, die ihm helfen vergisst er nicht. Eine Haltung, die ihm aber nichts nutzen wird. Als die Gesetzeshüter im Auftrag von J. Edgar Hoover und seinem Spezialbeauftragten Melvin Purvis vermehrt die Geschäfte aller Gangsterbanden stören mit dem Ziel Dillinger zu fassen, wendet sich das Blatt. Loyalitäten haben ein rasches Verfallsdatum, Dillinger wird selbst in Verbrecherkreisen zur Persona non grata.

Das erinnert dann etwas an Fritz Langs "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" (1931), wo Polizei und Gangster quasi an einem Strang ziehen um den Kindesmörder und Störenfried aus dem Weg zu räumen. Überhaupt sind es die Nebenfiguren, die "Public Enemies" davor bewahren als Ärgernis abgestempelt zu werden . Das ist dann aber nicht Christian Bales Verdienst, der als bissiger Hund Melvin Purvis mit qualifizierterem Personal zur organisierten Verbrecherjagd aufruft und sich dabei immer mehr den Methoden der Gangster annähert. Bale bleibt recht blass, wird zum dritten Male in Folge von seinen jeweiligen Co-Stars in den Schatten gestellt, weil Heath Ledger, Sam Worthington und Johnny Depp sich einfach besser präsentieren.

Gegen den Joker hätte wohl jeder zurückstecken müssen, doch bei den anderen Rollen bleibt nur der Eindruck des grimmigen, facettenarmen Kämpfers für Gerechtigkeit. Immerhin wird Bales Performance und auch der Film selbst im letzten Drittel der Spielzeit deutlich interessanter, denn Tempo und Szenengestaltung passen dramaturgisch besser zusammen und lassen die bis dato schlecht platzierten und wenig aufregenden Konfrontationen der Gangster mit der Polizei ein wenig vergessen machen. Wie die Aktion zur Festnahme bzw. der einkalkulierten Tötung Dillingers dann abläuft zeigt die inszenatorische Klasse von Michael Mann, wie man sie kennt und erwartet. Leider kommt das allerdings viel zu spät - zu viel Zeit wurde bis dahin vergeudet.

Die Penetranz mit der die Handkamera eingesetzt wird hilft auch nicht, im Gegenteil, sie nervt nur. Man wünschte sich, dass hier ein mehr klassischer Inszenierungsstil Anwendung gefunden hätte mit epischen Scopebildern, die gerne auch mal länger verweilen und nicht künstliche Hektik verbreiten um Drehbuchschwächen zu kaschieren. Dass Dillinger ein Held für die Bürger gewesen sein soll wird zwar angedeutet, hätte aber noch etwas ausführlicher besprochen werden können. Stattdessen sitzt Filmfreund Dillinger ohne Verkleidung im Kino und wird einfach nicht erkannt. Selbst in ein Polizeirevier kann er spazieren ohne dass man ihm gleich die Pistole auf die Brust setzt und Handschellen anlegt.

Woran sich das Auge weiden kann ist ohne Zweifel die Ausstattung, die den Betrachter perfekt in das damalige Umfeld der 30er Jahre versetzt. Auch wurden so einige Szenen an original Locations gedreht, was eine gute Ausgangssituation war um die entsprechende Stimmung des Films zu erzeugen. Leider muss man aber bemerken, dass es sich hier um "Style over substance" handelt und man ist etwas enttäuscht, dass viele interessante Figuren wie FBI-Direktor J.Edgar Hoover (Billy Crudup) oder Gangster Alvin Karpis (Giovanni Ribisi) kaum direkt ins Geschehen eingreifen. Die Chance auf einen echten Ensemblefilm mit gleichwertigen Figuren wurde leider nicht genutzt. Stephen Graham (This is England) hat immerhin noch einige der besten Szenen in seiner Rolle als durchgeknallter Baby Face Nelson.

Insbesondere Hoovers Stand in der Öffentlichkeit war damals problematisch und kaum einer traute ihm, einem Schreibtischtäter, zu, dass er den miesen Ruf der Bundesbehörde, später dann FBI genannt, aufpolieren und eine schlagkräftige Behörde schaffen würde, die effektiv gegen Verbrecher vorgeht. Diese Geschichte wurde ausführlicher in anderen Filmen erzählt, wie z.B. "Die FBI-Story" mit James Stewart. Mann, der für das Screenplay mitverantwortlich ist (basierend auf dem Buch von Bryan Burrough: "Public Enemies: America's Greatest Crime Wave and the Birth of the FBI, 1933-34") konzentriert sich in "Public Enemies" auf Dillinger und Purvis wie es auch John Milius 1973 in seinem Gangsterfilm tat. Allerdings weitaus weniger packend in vieler Hinsicht.

Warren Oates als Dillinger ist nicht so sympathisch wie Johnny Depp, eher ein protzendes Rauhbein. Und das macht einfach mehr Spaß als Depps Interpretation der Figur. Auch die häufigen, bleihaltigen Actionszenen wirken bei Milius intensiver und sind besser in den Verlauf der Geschichte integriert. Ben Johnsons knallharter Purvis ist ein cooler, listiger und vor allem ebenbürtiger Jäger, der mit einer überzeugenderen Leinwandpräsenz daherkommt als ein Christian Bale. Mit den Fakten nimmt es "Public Enemies" zwar genauer, da verdreht "Dillinger" (1973) so einiges, doch beim Unterhaltungswert hat Milius Version deutlich die Nase vorn.

Eine interessante Besetzung mit Johnny Depp und Christian Bale als Hauptakteuren leidet unter der überraschend schwachen Inszenierung des Michael Mann. Der legt mehr Wert auf Wackelkamera und eine ausgewalzte Romanze als auf gutes Timing und einen vernünftigen Spannungsbogen. Ein gutes letztes Drittel kann den Film letztlich auch nicht mehr retten. Schade. Nix war es mit dem Gangsterepos im Stile eines früheren Martin Scorsese oder Francis Ford Coppola.

Text © Markus Klingbeil
VÖ: 06.08.2009

Public Enemies

USA 2009. Farbe. Originalsprache: Englisch. Länge: 140 Min. Bildverhältnis: 1:2.35 Kinostart: 01.07.2009 (USA) 06.08.2009 (D). Budget: 100 Mio. USD Einspiel: 94.2 Mio. USD (USA) 142.8 Mio USD (weltweit)Regie: Michael Mann. Buch: Bryan Burrough. Screenplay: Ronan Bennett, Michael Mann, Ann Biderman. Kamera: Dante Spinotti. Schnitt: Jeffrey Ford, Paul Rubell. Musik: Elliot Goldenthal. Darsteller: Johnny Depp, Christian Bale, Marion Cotillard, Stephen Graham, Giovanni Ribisi, David Wenham, Stephen Dorff, Channing Tatum, Emilie de Ravin, Billy Crudup, Lili Taylor, Diana Krall, Matt Craven, James Russo.

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