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2008
Bilder © MFA
** Mammut
lukas moodysson


Leo Vidales ist vom Computerspielentwickler zum wohlhabenden Geschäftsmann aufgestiegen. Mit seinem Partner fliegt er nach Bangkok um mit Investoren einen 45 Mio-Dollar-Deal abzuschließen. Komplikationen verhindern eine schnelle Abreise und so muss der New Yorker einige Tage länger ohne seine Frau Ellen und die gemeinsame Tochter Jackie auskommen. Während Ellen mit der Doppelbelastung als Ärztin und Mutter zu kämpfen hat, freundet sich Leo mit der thailändischen Prostituierten Cookie an.

Die Konstellation des Films lässt einen früh erahnen wie sich der Handlungsverlauf entwickeln wird. Er ist auf Geschäftsreise im für seinen Sextourismus berüchtigten Thailand und langweilt sich, sie kriegt zuhause Job und Familie nicht unter den Hut. Und die Tochter hat eine stärkere Beziehung zur Nanny als zu den Eltern. Man erwartet förmlich, dass sich die Situation in der ersten Spielfilmhälfte zuspitzt, Emotionen ausbrechen, das Leben der Protagonisten gründlich durchgeschüttelt wird. Doch Regisseur Lukas Moodysson, berüchtigt für seine radikal-pessimistischen Erzählansätze (A Hole in my Heart, Lilya-4-ever) teilt seine Geschichte in drei abwechselnd vorgetragenen Erzählstränge auf, die eine Ewigkeit brauchen um sich zu entwickeln und dabei nüchtern und unspektakulär Alltagssituationen schildern.

Volle zwei Stunden dauert der Film und Moodysson braucht 2/3 der Spielzeit um die Grundlage für seinen zarten dramaturgischen Schlussantrieb zu legen. Viel mehr Zeit als der Zuschauer benötigt um die Figuren einzuordnen und sich über deren Schicksal Gedanken zu machen. Da muss man kein überaus genauer Beobachter sein um zu sehen, dass die Mutter-Vater-Tochter-Familie nur oberflächlich betrachtet eine happy Family ist. Doch um sich ihre inner Leere einzugestehen brauchen die Eltern diese Trennung auf Zeit hervorgerufen durch die Geschäftsreise. Diese zwei Leben zu sezieren reicht dem Regisseur, gleichzeitig auch Drehbuchautor, nicht also zeigt er noch das traurige Schicksal der Nanny Gloria, die von den Philippinen stammt, ihre beiden 10- und 7-jährigen Buben im Heimatland gelassen hat.

Gloria erträgt die Trennung von den Kindern, weil sie an deren Zukunft denkt. Sie spart jeden Cent um den Traum von einem besseren Leben für ihre Familie irgendwann in die Wirklichkeit umsetzen zu können. Und im Gegensatz zu Leo und Ellen, die als Workaholics ihren Jobs mehr Aufmerksamkeit schenken als der eigenen Tochter, kümmert sich Gloria um Jackie wie um ihr eigenes Kind. Dass deswegen eine zaghafte Eifersucht bei Mutter Ellen entsteht ist nun wahrlich keine Überraschung wie auch sonst die aufgegriffenen Themen wie Punkte auf der Abhakliste für die Ungerechtigkeiten der Welt wirken. Dazu gehört dann auch noch Pädophilie. Das Helfersyndrom gibt's natürlich auch. Unbestritten ist die Wichtigkeit dieser Themen aber um den Zuschauer zu erreichen, weltpolitisch informiert oder nicht, bedarf es einer Dramaturgie, die Emotionen herausfordert und Figuren, die polarisieren.

Wenn man der Erklärung des Regisseurs lauscht, der mit seinem Film unterstreichen will, "dass jeder jeden irgendwie braucht" dann ist das nur die Bestätigung des eigenen Eindrucks. Nämlich dass wir Zeuge einer verfilmten Predigt sind, die letztendlich Mut machen soll, trotz allen persönlichen Leids und den Ungerechtigkeiten die jedem wiederfahren. Moodyssons fehlbare Figuren betrachtet man allerdings mit Distanz, denn aufgrund der Abwesenheit eines greifbaren "Bösewichts" fällt es schwer Sympathie oder Antipathie zu empfinden. Und wenn das fehlt und die Handlung sich auch nur langsam dahinschleppt fehlen die Reizpunkte um ein echtes Interesse zu entwickeln. Drei Jahre hat Moodysson an diesem Projekt gearbeitet und dafür drei Kontinente bereist. Den Zuschauer verliert er aber spätestens auf halber Strecke.

Schade ist dies vor allem für die drei Hauptdarsteller, die sich redlich bemühen aber letztlich als Ausführende an die Anweisungen des Regisseurs gebunden sind. Gael García Bernal hat sich in der Vergangenheit durch Rollen in "Amores Perros", "Y Tu Mama Tambien", "Babel" und "La mala educación" unter Freunden des Weltkinos einen Namen gemacht, Michelle Williams wurde für ihre Nebenrolle in "Brokeback Mountain" (2005) für den Oscar nominiert und war zuletzt in Scorseses "Shutter Island" zu sehen. Die philippinische Schauspielerin Marife Necesito als Kinderfrau ist hierzulande noch ein unbeschriebenes Blatt ebenso wie die in einer Nebenrolle als Prostituierte agierende Natthamonkarn Srinikornchot.

Überlang und belehrend wirkt dieses Selbstfindungsdrama um Beziehungen innerhalb der Familie und deren Bedeutung. Dafür greift der Regisseur auf bekannte Lebenssituationen zurück und bringt sie in Form eines biederen, zähen Arthausdramas unters Volk, das sich auch durch den Erzählstil nicht packender entfaltet.

Text © Markus Klingbeil
VÖ: 04.05.2010

Mammut
(Mammoth)

SWE/DAN/D 2008. Farbe. Originalsprache: Englisch, . Länge: 125 Min. Bildverhältnis: 2.35:1 Kinostart: 23.01.2009 (Schweden) 10.06.2010 (D) Budget: n/a Einspiel: n/a Regie: Lukas Moodysson. Buch: Lukas Moodysson. Kamera: Marcel Zyskind. Schnitt: Michal Leszczylowski . Musik:Linus Gierta, Erik Holmquist, Jesper Kurlandsky. Darsteller: Gael García Bernal, Michelle Williams, Marife Necesito, Sophie Nyweide, Thomas McCarthy, Natthamonkarn Srinikornchot, Jan David G. Nicdao, Martin Delos Santos, Maria Esmeralda del Carmen

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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih