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2009
Bilder © Universal
*** Inglourious Basterds
quentin tarantino


1941 schleusen die Amerikaner eine Truppe jüdischer Nazijäger unter der Führung von Lt. Aldo Rain (Brad Pitt) ins besetzte Frankreich ein. Dort lehren sie den Soldaten das Fürchten und auch der clevere SS-Mann Hans Landa (Christoph Waltz), verantwortlich für den Tod vieler Juden, steht auf Aldos Abschussliste. Denn Aldo will 100 Nazi-Skalps von jedem seiner acht Männer.

Schon vor über sechs Jahren begann Quentin Tarantino damit am Drehbuch zu einem Kriegsfilm zu arbeiten, eine Idee, die wohl schon viel länger im Kopf des Regisseurs herumspukte. 1978 drehte der Italiener Enzo G. Castellari den Actionstreifen "Ein Haufen verwegener Hunde" in dem sich eine Gruppe abtrünniger US-Soldaten dem Militärgericht entziehen und gleichzeitig Nazis bekämpfen müssen um sich den Weg aus Frankreich in die Schweiz freizuschießen. Tarantino sah den Film erst einige Jahre später im US-Fernsehen und insbesondere der englische Filmtitel "The Inglorious Bastards" gefiel im außerordentlich gut.

Zwar erwarb Tarantino die Remake- und Titelrechte des 78er Films, die Handlung in seiner Version ist aber eine ganz andere. Und auch die Verteilung von ruhigeren, dialogfüllenden Momenten und Actionszenen unterscheidet sich gewaltig. Als Castellari damals das Projekt angeboten bekam musste er das Drehbuch erst einmal gründlich überarbeiten und die zu actionarme Handlung aufpeppen. Tarantino hingegen ist ein Meister des Wortes und so wird in 2 ½ Stunden Spielzeit nur ein Bruchteil davon für Action verwendet. Die kommt dann aber heftig was beim Skalpieren, Erstechen, Abfackeln sowie Niedermähen von Nazis mit Schnellfeuerwaffen auch gut sichtbar veranschaulicht wird.

17 Jahre ist es mittlerweile her, dass ein 29jähriger Quentin Tarantino mit dem harten Gangsterthriller "Reservoir Dogs" auf sich aufmerksam machte und zwei Jahre später mit dem in Wort und Bild clever konstruierten "Pulp Fiction" begeisterte. Bei "Jackie Brown" (1997) adaptierte er einen Roman von Elmore Leonard und mit den beiden "Kill-Bill"-Teilen zollte er dem Asienkino und dem Spaghettiwestern Tribut. Der Regisseur als großer Filmfan, der sich durch die Filmhistorie der Länder wühlt, seine Entdeckungen unter einem frischen, modernen Ansatz neu vorstellt. Doch bei aller Liebe zu ausgefeilten Dialogen fällt auf, dass Tarantino schon bei "Kill Bill - Vol.2" (2004) Probleme hat einen Abschluss zu finden.

In "Death Proof - Todsicher", der in unseren Kinos gelaufenen Langversion, wird es noch deutlicher wie Szenen verplappert werden und der dramaturgisch richtige, die Handlung vorantreibende Absprung nicht erfolgt, ein Tempoanzug nicht sonderlich gut oder zu spät gelingt. Recht unterhaltsam war das Todespiel mit einem irren Stuntman trotzdem noch, aber es schien fast so als wolle sich der Tarantino der 90er, der sich in "Kill Bill -Vol.1" noch einmal berappelte und richtig austoben konnte, jetzt doch so langsam verabschieden. Und so setzt sich die Textverliebtheit des kinobesessenen Amerikaners in seiner Zweiten-Weltkriegs-Fantasy auch konsequenterweise fort. Es gibt viele lange Dialogszenen, bei denen sich die Gesprächspartner mal belauern, mal nur mit wenig interessanten Worthülsen traktieren.

Das Ersinnen dieser Momente mag dem Schreiber der Zeilen ungeheuer viel Spaß gemacht haben, im Film wirkt allerdings manches unnötig in die Länge gezogen. Das liegt eben daran, dass es manchmal ewig dauert bis man zur Pointe kommt, oder auch gar nicht kommt. Nicht jeder Spruch sitzt, nicht jede Floskel sorgt für den "wow"-Effekt. Tarantino macht sich selber Konkurrenz und muss an den früheren Werken gemessen werden. Und da wirken die vielen Referenzen, die in jedem seiner Filme vorhanden sind diesmal weniger überraschend, weniger originell. Phasenweise kommt in "Inglourious Basterds" schon sein Humor zum Zuge, der in früheren Streifen funktioniert hat, sei es wenn der eine oder andere der "Bastard"-Gang vorgestellt wird oder ein unvorhergesehenes Bleigewitter auf die Beteiligten hinunterregnet.

Mit die beste Szene im Film ist dann auch jene eines konspirativen Treffens in einem Kneipenkeller (Kapitel 4 in seinem Geschichtsbuch). Da nimmt sich Tarantino sehr viel Zeit und es entwickelt sich ein packendes verbales Duell mit mehreren Mitspielern das in einem seiner heißgeliebten "Mexican Stand-offs" kulminiert. Wo Tarantino die Kriegsgeschichte verfälscht um seinem Publikum das zu zeigen was es sehen will, da ist er aber äußerst genau in der Zeichnung des drumherums, bedingt durch sein offensichtliches Interesse am deutschen Kino zu UFA-Zeiten in den 30ern. Er scheut sich nicht mit Filmtiteln und Schauspielernamen um sich zu werfen, die wohl selbst die Mehrheit des deutschen Zielpublikums nicht mehr kennen dürfte, dem wohlinformierten Filmkritiker aber ein wohliges Lächeln auf die Lippen zaubern wird.

Emil Jannings, Brigitte Helm oder die G.W. Pabst - Leni Riefenstahl- Zusammenarbeit "Die weiße Hölle von Pitz Palü" sind ebenso Teil des von Tarantino vorgestellten Zeitfensters 1941-1944 wie "Winnetou", und "King Kong". Wirft man einen Blick auf die Besetzungsliste, dann fällt auf, dass auch hier Wert auf Authentizität gelegt wurde. Viele deutsche Schauspieler spielen die Nazi-Rollen, auch in Mini-Parts - und nicht die unbekanntesten. So muss man nicht wie in so manchem Film über Deutschlands Geschichte englische oder amerikanische Schauspieler beobachten wie sie sich mit der deutschen Sprache abmühen. Oder die Produzenten machen es sich einfacher indem der Film gleich komplett auf englisch gedreht wird was eine internationale Auswertung vereinfacht (Walküre).

Bei Tarantino allerdings nicht - Franzosen sprechen französisch und das wird entsprechend untertitelt. So bleibt auch eine gewisse Sprachvielfalt in der deutschen Synchronfassung erhalten. Das ist vor allem deswegen gut, weil der österreichische Schauspieler Christoph Waltz, ein gerne gesehenes Gesicht in deutschen TV-Filmen, als listiger, intelligenter SS-Offizier Landa neben englisch und französisch auch noch ein perfektes italienisch spricht. Es ist nicht Brad Pitt, in der Besetzungsliste ganz oben stehend, sondern andere Darsteller, die einen Einruck in diesem Ensemblefilm hinterlassen. Neben Waltz, der sicher einer der charismatischsten Film-Bösewichte der letzten Jahre ist (höflich aber tödlich) beeindruckt vor allem die 26jährige Französin Mélanie Laurent (Die Kammer der toten Kinder, So ist Paris).

Sie spielt eine Jüdin, die einst den Fängen Landas entkommen ist und vier Jahre später in Paris wieder auf den Mörder ihrer Familie trifft. Jetzt betreibt sie ein Kino, das Tarantino als Spielwiese für ein heißes Finale nutzt. Von den deutschen Darstellern mit etwas größeren Rollen haben August Diehl (Buddenbrocks, Die Fälscher) als Gestapo-Offizier und Diane Kruger (Troja, National Treasure 2) als Filmdiva Bridget von Hammersmark am meisten Text. Beide sorgen in der Kneipenkeller-Szene dafür, dass die bis dahin etwas zu gemächlich dahinschlurfende Handlung etwas an Fahrt aufnimmt. Til Schweiger ist auch mit dabei und er trägt die Nazi-Uniform. Schon vor 11 Jahren bot man ihm die Rolle des hinterhältigen Deutschen an, der Tom Hanks ins Visier nimmt.

Damals lehnte Schweiger ab, da er seine Hollywoodkarriere nicht als böses Nazi-Abziehbild leben wollte. Bei Tarantino darf er einen deutschen Deserteur spielen, der bereits einige hochrangige Nazis getötet hatte bevor ihn die Bastarde in ihre Arme schlossen. Daniel Brühl (John Rabe, Die Gräfin) ist des öfteren in internationalen, vorwiegend europäischen Produktionen zu sehen. Hier schlüpft er in die Rolle eines deutschen Kriegshelden, der bewundert von der Staatsführung sogar zum Kinostar wird, und die von Mélanie Laurent gespielte Kinobesitzerin umwirbt. Gedeon Burckhart (TV-Serie "Alarm für Cobra 11") gehört zur Crew von Brad Pitts Bastarden; Christian Berkel, Ken Duken, Jana Pallaske, Ludger Pistor und Bela B. Felsenheimer (!) sind ebenso in mehr oder weniger langen Sequenzen im Bild zu entdecken.

Brachialkomisch wird's dann, wenn Sylvester Groth und Martin Wuttke auftauchen, die Göbbels und Hitler als Comicschablonen spielen. Da wird sich Dani Levy wohl bestätigt fühlen. Wer aufpasst entdeckt auch Regisseur Enzo G. Castellari und seinen Hauptdarsteller des 78er Films Bo Svenson. Ob der fast komplett in Babelsberg und Umgebung gedrehte "Inglourious Basterds" zum dringend benötigten Kassenerfolg der Weinstein-Brüder wird bleibt abzuwarten. Nach dem missglückten "Grindhouse"-Experiment bräuchte auch ein Tarantino nicht noch einen kommerziellen Flop.

Tarantinos Liebe für Kriegsactionfilme der 60er/70er à la "Das dreckige Dutzend" und diverser Exploitationstreifen schlägt sich zwar unverkennbar in seinem neuen Film nieder, doch lässt er bei seinen ausufernde Dialogszenen das rechte Timing vermissen. So sind 2 ½ Stunden zwar mit Filmzitaten und Filmwissen gespickt aber nur phasenweise wirklich packend präsentiert. Der Tarantino der 90er ist nicht mehr da. Nach "Kill Bill - Vol.1" deutete sich das aber schon an. Schade.


Text © Markus Klingbeil
VÖ: 20.08.2009

Inglourious Basterds

USA/D 2009. Farbe. Originalsprache:Englisch/Deutsch/Französisch/Italienisch. Länge: 154 Min. Bildverhältnis: 1:2.35 Kinostart: 21.08.2009 (USA) 20.08.2009 (D). Budget: n/a Mio. USD Einspiel: n/a Mio. USD (USA) Regie: Quentin Tarantino. Buch: Quentin Tarantino. Kamera: Robert Richardson. Schnitt: Sally Menke. Darsteller: Brad Pitt, Mélanie Laurent, Christoph Waltz, Eli Roth, Michael Fassbender, Diane Kruger, Daniel Brühl, Til Schweiger, Gedeon Burkhard, Jacky Ido, B.J. Novak, Omar Doom, August Diehl, Mike Myers.

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