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2009
Bilder © vértice cine
**** The Dancer and The Thief
fernando trueba


Aufgrund eines Gesetzeserlasses der chilenischen Regierung werden über 200 Gefängnisinsassen, die wegen nicht gewalttätigen Vergehen einsitzen, vorzeitig in die Freiheit entlassen. Darunter ist auch die Safeknackerlegende Nicolas Vergara Grey, der sich bald mit den Lebens- und Raubzugplänen eines enthusiastischen 19-jährigen Kleinkriminellen beschäftigen muss.

Eine zufällige Begegnung vor einem Pornokino an einem kalten Tag in Santiago de Chile kann der Beginn einer besonderen Liebe sein. Eine ungewöhnliche zudem, denn hier treffen sich zwei junge Menschen, die beide schlimme Erfahrungen hinter sich aber noch nicht verarbeitet haben. Angel Santiago (Abel Ayala) ist ein junger Bursche, der zwei Jahre abgesessen hat und nun davon träumt Pferde zu züchten. Wir lernen ihn als aufmerksamen, freundlichen, aufmunternden Menschen kennen dem man eigentlich außer einer Portion Schlitzohrigkeit nichts schlimmes zutraut. So geht es auch Victoria (Miranda Bodenhöfer), die dank dessen sanfter Hartnäckigkeit schnell Vertrauen fasst – aber nicht spricht. Im Ballett-Tanz drückt sie ihre Emotionen aus, ihren Schmerz, den das traumatisierte Mädchen seit dem frühen Verlust der Eltern in sich trägt. Die kleinen Hinweise, die man als Zuschauer vorgelegt bekommt lassen erahnen, dass politische Gründe, und Nachwirkungen der Diktator Pinochets verantwortlich sind für ihren psychischen Zustand. „So eine können wir hier nicht gebrauchen“ heißt es dann auch bei der Aufnahmeprüfung an der städtischen Ballettschule, ohne überhaupt die tänzerischen Fähigkeiten zu würdigen.

Wie ein vorrangig politischer Film wirkt „El Baile De La Victoria“ (Originaltitel; heißt übersetzt: Der Tanz von Victoria) deswegen aber nicht. Die Geschichte legt ihren Schwerpunkt auch nicht auf den oft in Filmen zitierten letzten Coup des Meisterdiebes, der hier vom argentinischen Kinostar Ricardo Darín (In ihren Augen, Chinese zum Mitnehmen) verkörpert wird. Wenn Angel sich ein erfolgloses Rennpferd „ausborgt“, dass er vor vielen Jahren aufgezogen hat und mehrere Tage durch die von Autos bevölkerte Stadt reitet um seiner Victoria Freude zu schenken dann hat das märchenhafte Züge, die den Fortgang der Erzählung prägen. Der spanische Regisseur Fernando Trueba, bekannt durch den oscargekrönten Film „Belle Époque – Saison der Liebe“ (1992) und einen weniger gelungenen Ausflug nach Hollywood (Eine Blondine zuviel – Two Much, 1995), findet dabei nicht nur interessante erzählerische Wege die Handlung voranzutreiben sondern hat mit Julián Ledesma auch einen hervorragenden Kameramann an seiner Seite, der Stadt, Theater und Naturlandschaften prächtig einfängt. Vor allem begeistert aber die Besetzung der einzelnen Rollen. Sei es der erfahrene Charakterdarsteller Darín als alternder Gauner, der Frau und Sohn, seine Familie wieder haben möchte, aber erkennen muss, dass verlorene Zeit nicht so einfach wieder gut zu machen ist.

Oder Abel Ayala, der in seiner ersten großen Hauptrolle wie ein junger Gael Garcia Bernal begeistert und als enthusiastischer Gaunernachwuchs vom alten Hasen lernen, seine frische Liebe zur introvertierten Tänzerin aber nicht gefährden will. Ayalas Spiel wirkt ungezwungen, natürlich und seine Figur hat damit sofort die Sympathien des Publikums auf seiner Seite. Luis Dubó (La Nana – Die Perle) und Ariadna Gil (Las Bandidas) als auf den Jungen angesetzter Killer bzw. Frau des Safeknackers haben allerdings nur wenige Szenen, machen aber das beste draus. Die große Entdeckung ist die 19-jährige chilenische Newcomerin Miranda Bodenhöfer, die auch ohne Worte ausdrucksstark agiert, die innere Zerrissenheit spürbar macht und in den beiden Tanzsequenzen durch ihre physischen Fertigkeiten überzeugt. Kitschig oder überzogen wirkt die Inszenierung Truebas nie. Das Drehbuch schrieb er zusammen mit seinem Sohn Jonás und dem anerkannten Schriftsteller Antonio Skármeta (Sein Welterfolg „Mit brennender Geduld“ wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt und 1994 fürs Kino als „Il Postino“ verfilmt). Auf dessen Roman „Der Dieb und die Tänzerin“ beruht auch „El Baile de la Victoria“. Skármeta, der im Film zudem eine kleine Rolle als Theaterkritiker einer Zeitung übernimmt, war von 2000 bis 2003 chilenischer Botschafter in Deutschland.

„The Dancer and the Thief“ wurde gleich neun mal für die Goyas, den spanischen Filmpreis, nominiert und stand am Ende als großer Verlierer da. Groß abgesahnt bei der 2010er Preisverleihung hat nämlich ein anderer Film. Nicht der Oscargewinner „In ihren Augen“, der auch mehrfach nominiert war, sondern Daniel Monzóns Knastthriller „Cell 211“. Für den Oscar als bester fremdsprachiger Film 2010 wurde dann aber doch Truebas Literaturverfilmung eingereicht.

Blu-ray (Spanien-Import, Code B, 1920x1080p, 123 min)

Audio: 5.1 DTS HD Spanisch/ 5.1 DD Spanisch
Bildverhältnis: 2.35:1 anamorph
Untertitel (optional): Englisch, französisch
Extras (480i): Outtakes (in 1.33:1; 19min); Behind-the-Scenes (1.33:1; 33 min), versch. Trailer.
Bild und Ton sind sehr gut, die Untertitel problemlos lesbar (allerdings wird an 2-3 Stellen unvollständig übersetzt). Die Extras hingegen sind für nicht spanisch sprechende Interessierte weniger ergiebig, weil dafür keine Untertitel vorliegen.

Fernando Truebas sehenswerte Literaturverfilmung zeigt drei Menschen, die versuchen den Schmerz der Vergangenheit zu bewältigen, hinter sich zu lassen und einen besseren Lebensabschnitt zu beginnen. Das ist traurig, spannend, träumerisch und nicht ohne Humor.


Text © Markus Klingbeil
12.08.2012

The Dancer and The Thief
(El baile de la Victoria)

ESP 2009. Farbe. Originalsprache: Spanisch. Länge: 123 Min. Bildverhältnis: 2.35:1 Kinostart: 27.11.2009 (ESP). Budget: n/a USD. Einspiel: n/a Regie:Fernando Trueba. Screenplay: Antonio Skármeta, Jonás Trueba, Fernando Trueba. Kamera: Julián Ledesma. Schnitt:Carmen Frías.Musik: David Julyan. Darsteller: Ricardo Darín, Abel Ayala, Miranda Bodenhöfer, Ariadna Gil, Julio Jung, Mario Guerra, Mariana Loyola, Luis Dubó

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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih