Irgendwo in Osteuropa in der nahen Zukunft. Der
kriegserfahrene Söldner Toorop (Vin Diesel) geht einen Deal mit dem Gangster Gorsky (Gérard Depardieu) ein. Er soll
eine junge Frau nach Amerika, New York, bringen. Im Gegenzug kriegt Toorop eine neue Identität und kann damit ein neues
Leben im Westen führen. Doch der Babysitterjob entpuppt sich als gefährliche Mission bei der auch sein eigenes Leben
auf dem Spiel steht.
Es ist schon wieder einige Jahre her, dass Mathieu
Kassovitz hinter der Kamera agierte. 'Gothika' ist seine letzte Regiearbeit aus dem Jahre 2003, seine erste
Hollywood-Auftragsproduktion. Der Film, mit dem er sich aber für amerikanische Studios interessant machte, war 'Die
purpurnen Flüsse' drei Jahre zuvor. Ein spannender Cop-Thriller mit Jean Reno und Vincent Cassel, basierend auf der
Romanvorlage von Jean-Christophe Grangé. Als Kassovitz 2002 das Buch 'Babylon Babies' von Maurice G. Dantec in die
Finger bekam war für ihn klar, welchen Film er als nächstes drehen wollte, doch ein nicht finanzierbares Budget (man
sprach von 150 Millionen Dollar) zwang ihn sein Projekt erst mal auf Eis zu legen. Dass der einflussreiche Produzent
Joel Silver (u.a. Lethal Weapon, Matrix, TVs Veronica Mars) ihn für 'Gothika' verpflichtete sollte sich als Glücksfall
herausstellen auch wenn der Film künstlerisch wenig hergab. An den Kinokassen spielte dieser optisch ansprechende,
ansonsten aber eher langweilige Mystery-Thriller mit Halle Berry und Penelopé Cruz in den Hauptrollen genug Geld ein
(142 Millionen US-Dollar weltweit), so dass der Name Kassovitz auch bei anderen finanzkräftigen Hollywoodbossen in
Erinnerung blieb. Der französische Regisseur bekam endlich die Chance 'Babylon Babies' zu verfilmen. Allerdings weit
unter dem ursprünglich geplanten Budget und mit großen Schwierigkeiten verbunden.
Kurz vor dem US-Start äußerte sich Kassovitz enttäuscht über die Zusammenarbeit mit dem US-Riesen 20th Century
Fox, der die Hälfte des 60 Millionen-Budgets beisteuerte (die andere Hälfte wurde über europäische Geldgeber
organisiert). Nicht nur, dass die Dreharbeiten in Prag wetterbedingte Probleme plagten, auch die Budgetgrenzen und die
Kontrollmechanismen von Fox sorgten dafür, dass Kassovitz seine eigenen Vorstellungen nicht umsetzen konnte.
Ungewöhnlich offen äußert sich Kassovitz im Interview mit amctv.com wobei er zum Rundumschlag gegen Fox ausholt ("Bad
producers, bad partners, it was a terrible experience"). Und er bedauert, dass das Endprodukt fast nur aus "Gewalt und
Dummheit" besteht und in manchen Szenen wirkt "wie eine schlechte Episode aus (der TV-Serie) '24'. Im deutschen
Presseheft äußert sich der Regisseur nicht ganz so drastisch, lässt aber durchaus anklingen, dass die Verwirklichung
seines Wunschprojektes alles andere als problemlos ablief. Kassovitzs Unzufriedenheit mit den Chefs von 20th Century
Fox scheint aber kein Einzelfall zu sein, wie erst kürzlich in einem Bericht im Fachblatt Variety zu lesen war. Auch
namenhaftere Regisseure ließen sich in letzter Zeit nicht mehr von diesem Produktionsstudio anheuern.
Babylon A.D. ist ein ordentlicher Film. Nicht mehr. Nicht weniger. Ob Kassovitz sich selbst beim
Eindampfen eines als unverfilmbar beschriebenen 600-Seiten-Sci-fi-Romans auf einen 100-Minuten-Film zu viel vorgenommen
hat oder die widrigen Produktionsbedingungen Schuld daran sind, dass kein erinnerungswürdiges Genrekino entstanden ist,
wer weiß das schon ? Als Außenstehender lässt sich so etwas schwer sagen, wenn man weder Buch gelesen noch am Set
präsent war. Der fertige Film verschafft einen Eindruck und 'Babylon A.D.' macht in den ersten Momenten auch einen sehr
guten. Vin Diesel, mit Filmen wie 'Pitch Black', 'The Fast And The
Furious' und 'XXX' kurzfristig Hoffnungsträger für die aussterbende Action-Helden-Sparte, übernimmt die Rolle des
desillusionierten Rauhbeins Toorop und zeigt beim ersten Auftritt schon, dass in ihm immer noch eine 'coole Sau'
steckt. Allein wie selbstsicher er sich in den ersten Minuten gegen eine bis an die Zähne bewaffnete Killerarmee
behauptet und sein Mittagessen dabei nicht aus dem Auge verliert sorgt für eine Erwartungshaltung an den bulligen
Schauspieler, die bei Diesels testosterongeschwängerten Missgriffen 'Extreme Rage' und 'The Chronicles of Riddick' nie
entstand. Und die Entwicklung von Diesels Figur des unwissenden Bodyguards, der nur als "Transporter" für ein "Paket"
fungiert, das ihn zunächst nicht interessiert, entbehrt nicht einem gewissen Charme und spielt mit einer Gelassenheit,
wie man sie nicht unbedingt erwarten würde.
Diese Gelassenheit wird allerdings
ernsthaft auf die Probe gestellt als er neben seinem Auftrag Aurora auch eine resolute Nonne, gespielt von HK-Star
Michelle Yeoh (Die Mumie 3), mit auf die Reise nach
Amerika nehmen muss. Und eben jene Schwester Rebeka weiß natürlich mehr als sie sagt und hat guten Grund sorgsam auf
ihren Schützling zu achten. Die Rolle der Aurora wird dabei vom französischen Ex-Model Mélanie Thierry gespielt, die
verschüchtert, naiv und zerbrechlich wirkt und damit im Handlungsablauf auch Beschützerinstinkte beim toughen Söldner
weckt. Was folgt ist eine Reihe actionlastiger Szenen in einer chaotischen Umgebung, in der die Menschen rauen Sitten
folgen und ums tägliche Überleben kämpfen. Da gibt's dann schon mal Brot und Spiele im Käfig wo Muskelberge sich
gegenseitig den Schädel einhauen und akrobatische Gegner durch die Lüfte schwingen um Aurora zu entführen. Leider sind
letzter Aktionen nur kurze Referenzen an das Prinzip 'Parkour', einem Actionstil, bei dem es keine Hindernisse auf dem
Weg zum Ziel gibt. Folgerichtig ist auch David Belle im Bild, wenn auch nur für wenige Augenblicke. Jener Mann, der
Parkour über Frankreichs Grenzen populär machte und spektakuläre Szenen in 'Banlieu 13' lieferte.
Kugelflitzende Ballereien und schmerzender Körperkontakt werden aber vorwiegend für die dramatische
Flucht vom europäischen Kontinent genutzt. Und mehr und mehr wirkt 'Babylon A.D' wie ein poliertes US-Produkt, das man
nicht unbedingt einem Kassovitz zuschreiben würde. Einem Kassovitz, der mit 'Hass' (1995) und 'Die purpurnen Flüsse'
(2000) bewegendes und spannendes französisches Kino lieferte. Da können auch etablierte Euro-Stars wie Gérard
Depardieu, Lambert Wilson und Charlotte Rampling als Sektenführerin wenig beisteuern um 'Babylon A.D.' über den
Durchschnitt zu heben. Vielleicht wirkt dieser Sci-fi-Inhalt auch schon zu abgedroschen weil ein exzellenter 'Children
of Men' vor zwei Jahren mit dem Fixpunkt Kinder, als Schlüssel für die Zukunft in einer chaotischen Welt, eine
ernstere, packendere und vor allem glaubwürdigere Umsetzung zeigte. Visuell ist die von Kassovitz und Eric Besnard
aufbereitete Geschichte zwar ansprechend umgesetzt - kein Wunder, sitzt doch Luc Bessons Stammkameramann Thierry
Arbogast (Angel-A, Das fünfte Element) hinter der Linse - doch das kann die Defizite der Handlung nur bedingt
kompensieren. In Frankreich wurde 'Babylon' mit 530 Kopien gestartet und belegte auf Anhieb Platz 2 der Charts. An 'The
Dark Knight' (mit 820 Kopien) war kein Vorbeikommen.'Babylon A.D.'
markiert die Rückkehr von Vin Diesel als lässigen Actionstar und liefert dabei passable Sci-fi-Unterhaltung mit genug
Actionsequenzen, gelungenem Set-Design und einer guten Kameraarbeit. Für Anspruchsvollere sei aber auf 'Children of
Men' verwiesen, der eine düstere Zukunft weitaus intelligenter aufzeigt.