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2015

Bilder © Paramount
** Anomalisa
duke johnson, charlie kaufman


Ein Motivationssprecher sinniert am Vorabend eines öffentlichen Auftritts über sein tristes Leben und lässt sich auf einen One-Night-Stand mit einer Hotelbekanntschaft ein.

Für schräge Geschichten ist er bekannt, der New Yorker Drehbuchautor Charlie Kaufman, geb. 1958. In Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Spike Jonze und Michel Gondry konnte er diese merkwürdig-faszinierend-skurrilen Geschichten glücklicherweise auf der Leinwand verewigen: „Being John Malkovich“ (1999), „Adaption: Der Orchideen-Dieb“ (2002), und das Highlight „Vergiss mein nicht“ (2004) (für letzteren Film gab es den verdienten Drehbuch-Oscar, den er sich allerdings mit zwei Kollegen teilen musste). Die Idee zu „Anomalisa“ basiert auf Kaufmans gleichnamigen Drei-Personen-Bühnenstück, das vor zehn Jahren aufgeführt wurde. Statt reale Personen sieht der Zuschauer in der Filmversion allerdings Puppen, die über das Stop-Motion-Verfahren zum Leben erweckt werden. Um die Geschichte unabhängig von Vorgaben der großen Hollywoodstudios zu realisieren bediente man sich des Crowdfundings und sammelte 2012 online über die Kickstarter-Plattform innerhalb 60 Tagen 406.237 US-Dollar ein (damals ein Rekord!). Jeder der wollte konnte sich finanziell beteiligen und 5770 Personen machten mit. Sie werden je nach Einsatz unterschiedlich belohnt werden. Anvisiert hatte das Team des Animationsstudios Starburns Industries, das mit einem sehr sehenswerten „Stop-Motion-Bettelvideo“ um Unterstützung bat, übrigens nur 200.000 USD. Und geplant war auch nur ein 40-minütiger Kurzfilm. Die überwältigende Resonanz auf Kickstarter eröffnete jedoch zusätzliche Geldquellen, so dass ein abendfüllender Spielfilm realisiert werden konnte.

Die Mainstreamuntauglichkeit dieser Geschichte zeigt sich früh. Nicht weil hier eine klassisches Animationsverfahren angewandt wird sondern weil der Protagonist Michael Stone in einem tiefen Tal der Depressionen steckt. Er ist kein junger Spund mehr, seine Lebensweisheiten, die er auch in Buchform erfolgreich in der Welt verbreitet, finden bei ihm selbst längst keine Anwendung mehr. Alles nur Fassade. So verbringt er den traurigen Abend im fremden Hotel alleine mit Gedanken an eine verflossene Liebe, an einen schweren Fehler, der ihn umtreibt. Kaufman, der den Film in Co-Regie mit Duke Johnson inszenierte, verschleppt das Erzähltempo dermaßen mit trivialen Aktionen, dass die Hoffnung auf geniale Momente zunehmend schwindet. Die Monotonie im Leben von Stone wird durch den One-Night-Stand mit einem weiblichen Fan (seine Anoma- Lisa) kurzfristig aufgebrochen (hier gibt es den deftigen Puppensex, der in „Team America“ noch abgemildert werden musste). Doch auch dieser mit Verlustängsten und anderen Gefühlsverwirrungen gefütterte Versuch der Handlungsbelebung schlägt fehl, macht den Film und seine Hauptfigur nicht wirklich interessanter. Die Originalität eines inszenatorisch notwendigen Kniffs - Gesichter und Stimmen, die sich buchstäblich bis auf wenige Ausnahmen alle gleichen – verpufft in ihrer Wirkung viel zu früh. Und während ein abnehmendes Zuschauerinteresse die Minuten leider nicht schneller laufen lässt fragt man sich was mit dem Kreativkopf Kaufman, auf den wir vor 10-15 Jahren aufmerksam wurden, passiert ist.

Regie hat Kaufman bisher schon zweimal geführt. 2008 bei „Synecdoche, New York“ mit Philip Seymour Hoffman als Zugpferd. 20 Mio. Dollar hatte er für seine Vision zur Verfügung aber wenn das Publikum ausbleibt und nur 4.4 Mio. USD zurückfliessen hat man es natürlich schwer Geldgeber für das nächste Projekt zu finden. Dem Mainstream hinterherlaufen wollte Kaufman nicht. 2014 schrieb er das Drehbuch zum Pilotfilm einer neuen TV-Serie („How and Why“) mit Catherine Keener und Michael Cera. Er führte auch Regie. Der beauftragende Sender entschloss sich nach Sichtung des Materials das Projekt gleich wieder zu beenden. Es passte wohl nicht ins Programmschema. Mehr Glück hat er nun mit dem Independentwerk „Anomalisa“, das ins Verleihprogramm eines großen Hollywoodstudios aufgenommen wurde. Ein durch Festivals aufgebauter Hype und der Gewinn des Jury-Preises in Venedig veranlasste Paramount dazu sich die Rechte zu sichern.

Ursprünglich als 40-minütiger Kurzfilm angekündigt wurde eine dünne Story auf 90 Minuten aufgeblasen. Keine gute Entscheidung. Eine interessante visuelle Gestaltung reicht hier nicht um zu überzeugen.

Text © Markus Klingbeil
25.11.2015


Anomalisa

USA 2015. Farbe. Originalsprache: Englisch. Länge: 90 Min Bildverhältnis: 2.35:1 Kinostart: 30.12.2015 (US) 21.01.2016 (D). Budget: 8 Mio. USD Regie: Duke Johnson, Charlie Kaufman. Drehbuch: Charlie Kaufman. Kamera: Joe Passarelli. Schnitt: Garret Elkins. Musik: Carter Burwell. Stimmen (O-Ton): David Thewlis, Jennifer Jason Leigh, Tom Noonan.
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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih