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1957
Bilder © MGM/
20 Century Fox
**** Die 12 Geschworenen
sidney lumet


Sechs Tage haben sich die Geschworenen die Argumente von Verteidigung und Staatsanwalt angehört - jetzt müssen sie entscheiden, ob der des Mordes am eigenen Vater angeklagte junge Mann schuldig ist oder nicht. Bei der ersten Abstimmung halten ihn alle für schuldig - bis auf Geschworener Nummer 8.

Wenn es um das eigene Leben geht oder um das von Bekannten oder Freunden, die einem etwas bedeuten, dann ist man penibel darauf bedacht alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die sich für die Rettung der Haut anbieten. Gesehen hat man das erst kürzlich wieder in dem Film "Betty Ann Waters" in dem eine Frau hartnäckig daran arbeitet die Unschuld ihres wegen Mordes verurteilten Bruders zu beweisen. In "Die 12 Geschworenen", dem ersten Kinofilm von Sidney Lumet (Tödliche Entscheidung, Serpico), geht es um eine Gruppe Individualisten, die gemeinsam über das Schicksal eines ihnen unbekannten Mannes entscheiden müssen. Eine Jury, bestehend aus 12 Männern verschiedener sozialer Schichten mit unterschiedlichen Denkweisen, die in einem abgeschlossenen Gerichtsraum ohne Klimaanlage und mit defektem Deckenventilator am heißesten Tag des Jahres zur Urteilsfindung zusammensitzen.

Jeder wäre froh, wenn man die Angelegenheit schnell hinter sich bringen könnte, vor allem da die Beweise für die Schuld des 18-jährigen Burschen auf den ersten Blick erdrückend sind. Doch ein aufrechter Mann hat Zweifel, Zweifel an den Zeugenaussagen, an der Gründlichkeit des Pflichtverteidigers und vor allem will er so eine wichtige Entscheidung über Leben und Tod nicht im 5-Minuten-Hauruck-Verfahren fällen ohne vorher ausgiebig Argumente ausgetauscht und hinterfragt zu haben. Gespielt wird dieser Mann mit Moral von Henry Fonda (Rache für Jesse James, Spiel mir das Lied vom Tod), der auf ruhige, intelligente, clevere Art und Weise anschaulich demonstriert wie oberflächlich belastende Aussagen bewertet wurden und sie alternativ in einem anderen Licht darstellt. Durch die Interaktion mit den anderen Geschworenen wird mühsam aber plausibel aufgezeigt, wie es auch hätte sein können. Fonda vertritt hier beeindruckend den Grundsatz "In dubio pro reo" - im Zweifel für den Angeklagten.

Spannend ist dieses in schwarz-weiß gedrehte Kammerspiel (nur die Anfangs- und Endminuten finden nicht in dem Beratungsraum statt) vor allem deswegen, weil der Prozess der Entscheidungsfindung einen hochinteressanten Blick frei gibt auf Eitelkeiten, Egoismen, Vorurteile, Überheblichkeiten, Geltungssucht und menschliche Schwächen im allgemeinen, die nach anfänglicher Vergnügtheit über hitzige, persönliche Attacken entblößt werden. Hervorragend besetzt sind diese Figuren, die zögerlich, nach und nach beginnen selbstständig zu denken (oder sich bemühen) und davon Abstand nehmen nur vorgekaute Argumente abzuhaken. Einer davon ist Jack Klugman, der vor allem durch zwei TV-Erfolgsserien der 70er und 80er (Männerwirtschaft, Quincy) bekannt wurde. Als Juror #5 kann er sich am besten in die Lage des aus schwierigen sozialen Verhältnissen stammenden Angeklagten hineinversetzen. Jack Warden (Die Unbestechlichen, Während du schliefst) vertritt den Typus des gleichgültigen, egoistischen Mannes, der so schnell wie möglich dem Richter den Urteilsspruch übergeben will, damit er rechtzeitig zum Baseballspiel der Yankees kommt.

Alle Darsteller dieses 3-fach oscarnominierten Ensemblestücks (Beste Regie, bester Film, bestes Drehbuch) tragen durch ihr nuanciertes Spiel ihren wertvollen Teil zum Gelingen des Films bei aber besonders herausheben sollte man trotzdem einen Darsteller. Lee J. Cobb (Die Faust im Nacken, Die Brüder Karamasov) ist es, der sich zum zornigen, aufbrausenden, erbitterten Gegner Fondas entwickelt und durch seine Sturheit nicht bemerkt, wie die eigenen familiären Probleme auf den Fall wirken und ihn seiner Objektivität berauben. Deutschlandpremiere hatte "Die 12 Geschworenen" übrigens auf der Berlinale 1957 und gewann dort den Goldenen Bären für den besten Film. Das American Film Institute ordnete den Film, dessen Drehbuch zunächst für einen TV-Film Verwendung fand, als zweitbestes Gerichtsdrama hinter "Wer die Nachtigall stört" (1962) ein. 1997 wurde eine Remake mit Jack Lemmon als Juror #8 gedreht (Regie: William Friedkin).

DVD (MGM/20th Century Fox, PAL, RC2, 92 min)

Leider ist dies nur eine durchschnittliche Veröffentlichung des Films in digitaler Form. Kein anamorphes Bild (1.66:1-Format), dem es zudem an Schärfe fehlt und ein englischer Ton, bei dem es stellenweise etwas arg rauscht. Alle Tonspuren (u.a. noch deutsch, französisch, italienisch spanisch) sind in Mono. Untertitel liegen in deutscher, englischer Sprache (und acht weiteren) vor. Als mageres Extra gibt es nur den Trailer zum Film.

So wünscht man sich eine Jury: Juroren, die sich ihre eigenen Gedanken machen und nicht bloß nach der einfachsten Lösung suchen um schnell entscheiden zu können. Der steinige Weg dahin wird spannend inszeniert von Regisseur Lumet (1924-2011), der in seiner langen Karriere viele tolle Filme gedreht hat. "Die 12 Geschworenen" gilt nicht zu unrecht als ein Klassiker des Gerichtsfilms.

Text © Markus Klingbeil
VÖ: 10.04.2011

Die 12 Geschworenen

(12 Angry Men)

USA 1957. s/w. Originalsprache: Englisch. Länge: 92 Min. Bildverhältnis: 1.66:1 Kinostart: 10.04.1957 (USA) 14.08.1957 (D). Budget: n/a Einspiel: n/a Mio. USD (USA) Regie: Sidney Lumet . Story: Reginald Rose. Screenplay: Reginald Rose. Kamera: Boris Kaufman. Schnitt: Carl Lerner. Musik: Kenyon Hopkins. Darsteller: Martin Balsam, John Fiedler, Lee J. Cobb, E.G. Marshall, Jack Klugman, Edward Binns, Jack Warden, Henry Fonda, Joseph Sweeney, Ed Begley, George Voskovec, Robert Webber.
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© Layout, Text: Markus Klingbeil, Bilder: Filmverleih